„So, meine Lieben, nach der Vorstellungsrunde sollten wir jetzt zur Auflockerung noch ein wenig unverbindlich plaudern, dann geht es zeitig zu Bett, damit wir morgen mit den therapeutischen Gesprächen beginnen können. Vorher möchte ich euch noch zwei Teilnehmer präsentieren, die etwas später zu uns gestoßen sind; stellst du dich mal vor, bitte?
„Ja, hallo, ich bin der Rupert, und ich wollte erst mit der SS Ahmadinejad nach Gaza fahren, aber der Norbert hat mir hier von der AA-Gruppe erzählt. Jaaaaaa, bei mir war das so, ich hab mit 63 beschlossen, nicht mehr länger zu schweigen.“
„Warst du in einem Trappistenkloster, Rupert?“
„Nee. Zu manchen Dingen schweig‘ ich aber immer noch.“
„Damit sprichst du schon dein Problem an.“
„Wieso Problem?! Ich find‘ das genau richtig so! Ich lass‘ mir auch nicht vorschreiben, ob ich den Mund aufmachen darf! Em-pö-rend!“
„Was hast du denn da in der Hand, Evelyn?“
„Einen Maulkorb hab ich hier mal mitgebracht. Dass ich ihn mir nicht umhängen lasse.“
„Du hast dir einen Maulkorb mitgebracht, um ihn dir nicht umhängen zu lassen?“
„Ja.“
„Du weißt aber schon, Evelyn, dass ein Maulkorb nicht dazu gedacht ist, einen Hund vom Sprechen abzuhalten, sondern davon, einen Menschen zu beißen?“
„Oh. Da hab ich noch gar nicht so… drüber nachgedacht.“
„Stell‘ du dich doch bitte auch noch mal kurz vor.“
„Ja, also, ich bin die Felicia, und ich kämpfte bisher immer ganz allein, weil: Ich bin normal und fünf Millionen jüdische Israelis sind total verrückt! Geisteskrank! Ich bin ja so froh, dass ich hier jetzt so viele Mitstreiter gefunden habe! Ich würde jetzt übrigens gern noch von dem Norbert wissen, wie er zu uns gefunden hat.“
„Ja… das ist (Schlucken)… wie soll isch das sagen. Isch wollde ursprünglisch Zirkusclown werden, aber das ging dann nisch wegen meiner Sägemehlallergie. Isch bin dann in die Politik gegangen und hab mir danach noch so ein bisschen was dazuverdient in irgendwelschen Heiopei-Sendungen, und dann hab isch auf Teilzeit-Israelkritiker umgeschult, weil man mir gesagt hat: Das hat Zukunft!“
„Ja, Norbert, das ist gar nicht so falsch, einige von euch können ja ganz gut davon leben…“
„Ich nicht!“
„Gut, Erhard, aber du machst das ja auch nicht professionell…–“
„Wie jetzt?! Das hat doch tausendmal mehr Niveau als FAZ und WELT und SPIEGEL und diese ganzen Käseblätter, die diesen erbärmlich geschriebenen Mist von Broder drucken! Das sind doch bloß alles angebliche Interlektuelle! Das lohnt sich ja gar nicht, sich überhaupt damit auseinander zu setzen! Da steht ich so drüber! Aber so! Das hab ich erst gestern total überzeugend begründet. Fast den ganzen Tag hat mich das gekostet. Das war ein zähes Ringen, vor allem mit dem Duden.“
„Aber warum schreibst du dann 1200 Zeilen, Erhard, wenn dir das egal ist, was Broder und Liza schreiben?“
„Hm. Ich versteh´ jetzt irgendwie… die Frage nicht…“
„Ellen, du schaust so komisch – ist was?“
„Ja, mir war gerade… ich war plötzlich in Gaza, und da hatte ich nichts zu essen, und keine Medikamente. Und ich habe ein Glas Wasser getrunken, aber das war wohl von Siedlern vergiftet, jedenfalls wurde mir plötzlich ganz schlecht, und dann wollte ich ins Krankenhaus, aber die Israelis haben mich nicht gelassen. Und dann bin ich gestorben, am Checkpoint.“
„Aber du lebst doch noch, Ellen! Du sitzt doch hier in unserem Kreis!“
„Ja. Noch! Aber ich sterbe einen langsamen Tod. Wie die Palästinenser. Bei denen dauert das auch nicht selten 70, 80 Jahre. Ein ganz langsames Sterben.“
„Ellen? Du hast wieder deine Pillen nicht genommen, stimmts? Ich hatte gesagt: zwei von den weißen, zwei von den blauen!“
„Mir tun die gut.“
„Ja, Erhard, ich finde auch, du hast das mit dem spontanen Losbellen schon ganz gut in den Griff bekommen.“
„Ich schreibe jetzt wieder mehr. Da krieg‘ ich dann aber immer so schwitzige Hände und hektische rote Flecken. Aber das ist mir egal, ich muss die Scheiße kommentieren.“
„Keine Exkremente! Hat schon Adenauer gesagt.“
„Norbert, jetzt ist mal gut. Du kasperst sowieso immer rum da vorne, das stört. Wirklich.“
„’tschuldigung, Frollein, aber isch find das ja gut, was der Erhard da macht. Dass er sisch so leidenschaftlisch mit Scheiße auseinander setzt. Und je dünner der Schiss, desto breider kann er ihn treden.“
„Ich hab mal eine Zeitlang mit Fäkalien gearbeitet und dann das gemacht, was Beuys damals mit den Fettecken gemacht hat. Seitdem hab ich Hausverbot im Museum Ludwig. Meine Kunst weiß keiner zu schätzen. Ich werde total verkannt. Kein Wunder, dass ich am Hungertuch nage. Will mir denn wenigstens hier einer mal was abkaufen?“
„Hmmmmm. Nicht wirklich, Erhard. Warum suchst du dir nicht Werbepartner für deine Seite?“
„Ich hatte doch mal zwei an der Hand, eine Rechtsschutzversicherung und ein astrologisches Institut, aber die haben dann doch kalte Füße gekriegt.“
„Wir können ja mal sehen, ob wir den Hut für dich rumgehen lassen.“
„Ess-null-vier – die Scheiße vom Revier! Beeee-vau-beeee… Ups, sorry.“
„Schon okay, Erhard. So, das war’s erstmal für heute. Wir können vor dem Schlafengehen noch einen Film zusammen kucken. Als Masturbationshilfe hab ich hier… Moment… „Dr. Fummel und seine kranken Schwestern“ und „Vegetarier, zur Fleischeslust gezwungen“…
„Ich hätte gern den hier.“
„Zeig mal das Cover. Ah, okay. Dann also „Jenin, Jenin.“
Absolute Weltklasse. Vor allem natuerlich „Jenin, Jenin“ 😉
Ich denke, dass es Zeit wird, für Erhard, Evelyn, Felicia und andere die Sammeldose zu organisieren.
Die Sprechstunde bei einem Psychoanalytiker muss ja schließlich bezahlt sein.