Ein paar Anmerkungen zu den Parlamentswahlen in Israel:
Sie sind in etwa so ausgegangen, wie man es vorhersehen konnte – abgesehen vielleicht vom Absturz der in grauer Vorzeit jahrzehntelang regierenden Avoda und der Schrumpfung von Meretz zur Splitterpartei von der Größe Balads.
Es wird also – wie immer – eine Koalitionsregierung geben, so wie es aussieht, eine Regierung der Nationalen Einheit (Große Koalition) aus den stärksten Parteien. Schreiber dieser Zeilen zieht ein solches Bündnis übrigens ganz klar einer breiten Mitte-Rechts-Front vor, teils weil es da einige unappetitliche Gesellen gibt, vor allem aber, weil es dringend geboten erscheint, den mühsam erreichten Konsens des Großteils der israelischen Gesellschaft politisch offensiv zu vertreten.
Von 33 Parteien hat ein Dutzend den Einzug in die Knesset geschafft, die Hälfte allerdings mit nur 3 bis 5 Abgeordneten.
Interessante Überlegung: Wären die israelischen Araber (die im übrigen nicht selten „zionistische“ Parteien wählen) ähnlich diszipliniert an die Urnen gegangen wie ihre religiösen jüdischen Landsleute und hätten sie alle für eine arabische Liste gestimmt, so wäre diese zweifellos die stärkste Fraktion. Tatsächlich aber wählt nur jeder dritte arabische Israeli, und so bleiben die arabischen Parteien in der Knesset ohne Einfluss. Zum Glück, muss man sagen, wenn man sich ihre Repräsentanten anschaut.
Lieberman hat übrigens deutlich bei den Drusen gepunktet.
Noch sind die Stimmen der Soldaten, Diplomaten etc. nicht ausgezählt, aber zurzeit ergibt sich folgendes Bild:
Likud 27 Sitze (21 %)
Kadima 28 (23 %)
Avoda 13 (10 %)
Israel Beitejnu 15 (12 %)
Shas 11 (9 %)
Meretz 3 (3 %)
United Torah Judaism 5 (4 %)
Jewish Home 3 (3%)
National Union 4 (3 %)
Hadash 4 (3 %)
United Arab List Ta’al 4 (4 %)
Balad 3 (3 %)
Warum führt man in Israel eigentlich keine 5-Prozent-Hürde ein? Vielleicht auch ein Mehrheitswahlrecht. Die Zersplitterung der Parteienlandschaft ist jedenfalls äußerst suboptimal.
@ Adrian
Stimmt!
Hallo Claudio, ich stimme dir hinsichtlich des angeblichen „Konsens des Großteils der israelischen Gesellschaft“ nicht zu. Konsens bezüglich was? Schaut man sich die Ergebnisse in den einzelnen Segmenten/Städten näher an, wird man verblüfft eine Polarisierung der Marke New York vs. Mittlerer Westen feststellen.
In der Periphärie, in Jerusalem, im Süden (bis zu Ashkelon/Ashdod) gewinnt der Likud haushoch. Einzig in Tel Aviv und in Haifa (knapp) liegt die Kadima vorne. Haifa ist demographisch bedingt, logisch. Tel Aviv ist aber nichts anderes als die Manifestation des „anderen“ Israels. Dieses andere Israel war vor 15 Jahren die „Linke“, heute ist es ein desillusionierter, zynischer Haufen der anti „rechts“ und nicht pro irgendeiner Idologie wählt. Die Anti-Bibi Hysterie hat zu einem scharweisen Üverlaufen „Vorwärts“ geführt, das so nebenbei Meretz und die Avoda ausradiert hat (selbst in den Kibbuzim!!). Kadima hat also nicht wegen Livni, sondern gegen Bibi „gewonnen“ (zumindest, nach Soldatenauszählung ein paar Tausend Stimmen mehr kassiert). Die Kadima steht für absolut nichts, und das meine ich nicht abwertend, sondern halte das nüchtern fest, nachdem die Partei mit dem Scheitern der „Einseitigen Rückzug“-Strategie den einzigen Eckpfeiler verloren hat.
Es gibt auf ynet (leider hebräisch) eine brillante Analyse, die das ganze mit einem Big Brother SMS-Vote vergleicht, bei dem es nicht um das Stimmen für Inhalte und Politik sondern nach dem Motto „ich wähle für die eine, damit der andere rausfliegt“ zugeht. Leider ist Israel 2009 auf diesem Level angekommen.
Diese unüberlegte und kurzsichtig-emotionale Wahl hat durch die Begrabung der Avoda paradoxerweise eine „rechtslastige“ Koalition erst ermöglicht. In dem die Avoda für Netanyahu wegfällt, muss er zu Lieberman und Konsorten greifen, Livni kann von sich aus keine Koalition bilden. Ebenso paradoxal: Netanyahu hat die Likud-Fundis und Feiglin (ohne „g“ am Ende) ungestüm und undeomkratisch auf die hinteren Plätze verbannt, die entsprechenden Sympathisanten kehrten dem Likud den Rücken, womit ein geschwächter Likud nunmehr erst recht nur auf die Siedlerparteien zugreifen kann, anstatt als eindeutig stärkste Partei Kadima die Hand zu reichen. Alles sehr verwirrend, alles sehr unangenehm.
@ caldedooper
Hast ja recht. ;o)
Zum Thema „taktisches Wählen“ siehe auch den neuesten Eintrag aud dem Blog von Ya’acov Lozowick.
Bei der Heterogenität der israelischen Wählerschaft und dem Fehlen einer ordentlichen parlamentarischen Hürde kann das Ergebnis ja auch nicht verwundern.
Mit „Konsens“ meine ich in erster Linie die Sicherheitsfrage, obwohl natürlich auch andere Themen eine Rolle spielen – es ist ja nicht so, dass die Israelis jeden Morgen mit dem Palästinenserproblem aufwachten und abends mit dem Palästinenserproblem zu Bett gingen. Aber die Existenzsicherung ist nunmal das A und O, ohne geht gar nix. Und da würde ich schon sagen, dass der überwältigende Teil der Bevölkerung grundsätzlich bereit ist, für einen echten Frieden die oft bemühten „schmerzhaften Kompromisse“ einzugehen, allerdings nicht, weiterhin Vorleistungen zu erbringen, die dann von der anderen Seite nur mit noch mehr Feindseligkeit und Terror beantwortet werden. Insofern setze ich da auf eine Führung, die nicht mehr mit sich spaßen lässt.
@ caldedooper
Noch ein paar Sätze, die ich gern unterstreichen würde (von Rosner):
Though there are no clear winners from yesterday’s polls, the clear loser in this election is ideology. The hardnosed right-wing parties are fairly small–the National Union, presumably representing the settlers and the people who, three years ago, opposed the withdrawal from Gaza, will only have four seats. The left-wing „Peace Now“ party, New Movement-Meretz–supported by celebrity authors Amos Oz and David Grossman–won a meager three votes, the worst outcome since its inception. The religious parties lost votes and influence. If a unity government will be formed–which is looking like an increasingly likely possibility–these fringe parties will have almost no influence.
The relative consensus that has been crystallizing among Israelis in recent years means that it is difficult to categorize Israel’s major parties as „left“ or „right.“ The country’s political landscape consists of very large „center“–to which belong most voters of Likud, Kadima, Labor, and some voters of Lieberman’s Yisrael Beiteinu–all in all, about 75 seats out of 120. The margins are now populated by a number of fairly small parties: The Arab parties (7-8 seats), the tiny „left“ (Meretz, elements in the Arab-Jewish Hadash, and maybe a member or two of Labor, totaling 6-7 seats), the „right“ (National Union, some voters of Yisrael Beiteinu, and some Likud voters, adding up to 15 seats), and the „religious“ parties (Shas and United Torah Judaism, with their 15 seats).
Ich kann ehrlich gesagt mit den Parteien nichts anfangen. Wer steht für Was? Wo gibt es kurze knackige und vor allem objektive Informationen? Ich höre immer nur etwas von einem Rechtsruck, aber das ist überhaupt nicht hilfreich.
Kann man die Parteien zur besseren Orientierung mit deutschen Parteien vergleichen? Also Partei A ist eine Art FDP, Partei B eine Art CDU etc. pp.
Klar kann man gewisse Vergleiche anstellen, aber dafür fehlt an dieser Stelle gerade schlicht die Zeit. Vielleicht demnächst.
Um sich einen kurzen (und objektiven) Überblick zu verschaffen, empfehle ich erstmal
http://de.wikipedia.org/wiki/Israelische_Parlamentswahlen_2009
Man jede Partei einzeln anklicken und erhält die nötigen Infos.
Oje, Stephan, da hast du uns was eingebrockt! 😉 just kidding – ist aber ein Mordsunterfangen. Denn: die israelische Parteielnadschaft ist nur nur einzigartig heterogen, kontrovers, komplex, vielschichtig, sie ist vor allem eines: dynamisch. Nicht nur was das Kommen und Gehen von Parteien betrifft, sondern auch die Essenz derselbigen betreffend. Der Likud der 70er ist nicht der Likud 2009. Ditto Arbeiterpartei.
Ganz grob gesprochen gab es in den ersten Jahrzehznten zwei Blöcke die man wieder grob vereinfachend mit CDU und SPD vergleichen kann. Der Gachal (Cherut) Block, später in die Likud Partei mündend als bürgerliches Gegengewicht zum Mapai, später Avoda als sozialistische Mutterpartei Israels. Likud war aber auch das Sammelbecken für damals nocht stark unterprivilegierte sephardische/nordafrikanische Juden in einem von eine ashkenasischen, sozialistischen Elite dominierten Land. Das Auseinanderdriften links/rechts hinsichtlich Außenpolitik („Falken“ vs. „Tauben“) wird erst während den ersten friedlichen Annäherungen mit den arabischen Nachbarn relevant. Hier tendiert der Likud eher zur Beibehaltung 1967 eroberter Gebiete – und gibt den Sinai dann doch als erste friedensschaffende Regierung an Ägypten ab. Richtig polarisierend wirkt erst der Oslo Friedensprozess ab 1993. Hier sind die Fronten klar: Die Avoda arbeitet auf eine Zwei-Staaten-Lösung hin, der Likud ist dagegen. Mit dem Terror-Supergau („Zweite Intifada“) nach gescheiterten Friedensverhandlungen in Camp David ist die außenpolitische Linie der Avoda stark erschüttert. Es gibt nur mehr „Hardliner“ und „Pragmatiker“, beide sind jedoch puncto Friedensschluss skeptisch bis zurückweisend. In diesem Vakuum, das die Avoda nicht füllen konnte, entsteht die „Kadima“ unter Sharon. Motto: Es gibt keinen Partner, also lösen wir uns alleine von den Palästinensern los. 2009 liegt auch dieser Gedanke in Trümmern, was ich auch oben ausgeführt habe.
Wirtschaftlich ist der Sozialismus natürlich auch in Israel mit der Zeit gegangen, die Kibbuzim haben eher Reliktcharakter und stellen keine staatsutopischen selbstgenügsamen Einheiten mehr dar. Israel ist eine soziale Marktwirtschat irgendwo zwischen Österreich und den USA – als Netanyahu Finanzminister wurde (LIkud) wurde kräftig am neoliberalen, privtisierendne Hebel gezogen, was auch zu einem Erstarken sozialisitischer Bedürfnisse bei der Avoda führte (Peretz als Vorsitzender). Im Grunde genommen ist das aber nur Hintergrundmusik und keine Grundkontroverse – leider, denn das sollte es in einem stinknormalen, langweiligen 08-15 westlichen Land sein.
Kurzer Abriss zu den übrigen Parteien:
Meretz: Die Überbleibsel der Linken nach Oslo. Vehementes Einfordern von „Frieden“, „Ende der Besatzung“ etc. Gesellschaftpolitisch: Homoehe, Minderheitenrechte, Cannabislegalisierung – israelische „Grüne“.
Shas und Jahadut ha Thora: Sepharidsche respektive ashkenasische relidiöse Parteien. „Ultra“ klingt mir immer nach Fußball. Sorgen sich vor allem um eigenen Angelegnheiten, Kinderbetreuung, Thoraschulen Untersützungen. Außenpolitisch eher „rechts“, wobei ein Palästinenserstaat EXKLUSIVE Jerusalem nicht ausgeschlossen wird.
Ehud Leumi/Bait Jehudi (National Unity, Jewish Home): Zwei Siedlerparteien. Frag mich bitte nicht, wieso es zwei geben mussen. Hier gilt wohl: zwei Juden, drei Meinungen. Hauptanliegen klarerweise Siedlungserhalt und -ausbau. Eretz Israel in biblischen Grenzen und die Palästinenser am liebsten nach Jordanien. Das Umfeld dem Yigal Amir, der Rabinmörder, entstammte.
Lieberman/Israel Beitenu: Ursprünglich Sammelbecken und Sprachrohr russischer Einwanderer. Streng säkular, für Zivileher, Schweinefleisch und Bussen am Shabbat. Komplizierter als in den hiesigen Medien platt „faschistisch“ porträtiert. Außenpolitisch pragmatisch(!) mit regelmäßigen verstörenden Ausreißern. Lieberman ist im Prinzip für einen Palästinenserstaat, im Gegensatz zum Likud sogar unter Übertragung arabischer Siedlungenr im Osten Jerusalems an die Palästinenser. Andererseits im Verhätnis zu israelischen Araber hart bis psyhotisch („Transfer“ zwecks Erhaltung demographischer Hoheit). Profitiert von den innerisraelischen Spannungen im Zuge des Gazakriegs, als die arabische Minderheit großteils, vor allem aber deren paralemtarischen Repräsentanten Solidarität mit der Hamas(!) bekundeten. Verinfacht wurde das dargestellt: „Staatsfeind kassiert 5-stellige Staatspension“ – „Keine Loyalität – Keine Staatsbürgerschaft“ . Natürlich greifen solche Slogans, so rechtsstaatlich gefährlich sie sind.
Ich hoffe das war fürs erste hilfreich!
Das war es, caldedooper! Vielen Dank, dass du mir die Arbeit abgenommen hast. Sehr schön erklärt!
Sorry für die dutzenden Tippfehler, habe den Beitrag schlicht von der Leber weggeschrieben
@ Claudio
Frage:
„Wären die israelischen Araber (die im übrigen nicht selten “zionistische” Parteien wählen) ähnlich diszipliniert an die Urnen gegangen wie ihre religiösen jüdischen Landsleute und hätten sie alle für eine arabische Liste gestimmt, so wäre diese zweifellos die stärkste Fraktion.“
Irgendwie kann ich dem nicht ganz folgen – Likud hat 21% der Stimmen, und wenn die Araber eine aehnliche Wahlbeteiligung wie die Juden gezeigt haetten, haette man bei etwa 18% Arabern (registrierten Waehlern) doch bei weitem nicht die staerkste Fraktion, oder uebersehe ich hier etwas? Oder gingst Du von einer hundertprozentigen Wahlbeteiligung aus?
Klar – daher der Verweis auf die extrem motivierten religiösen Israelis, die sich sämtlich in die Wahllokale bequemen.
Ausführliche Informationen zu den Parteien gibt es hier:
Klicke, um auf IsraelElections2009MCPrimer.pdf zuzugreifen
@Adrian
Gegenfrage: Glaubst du wirklich, daß 5%-Hürden wie in Deutschland oder ein praktisch auf nur zwei Parteien hinauslaufendes Mehrheitswahlrecht wirklich immer und überall besser ist!?
Klar, es führt zu stabilen Regierungen, aber dafür werden die jeweils vertretenen politischen Inhalte immer austauschbarer, beliebiger, ähnlicher … und der Bürger zunehmend uninteressierter, was sich z.B. auch in Wahlmüdigkeit ausdrückt. Was soll z.B Einer wählen, der zwar politisch bei den Sozialdemokraten steht, aber gegen sozialistische Bildungsexperimente und Deindustrialisierung ist?
Systeme wie in Israel führen zwar zu schwierigerer Regierungsbildung, dafür sind die Parteien aber unterscheidbarer – was jenseits der „Lagerwähler“ die Chance bietet, über Themen und Inhalte abzustimen. Leider sind aber auch in Israel die Politiker nur Menschen – und die Wähler auch…
@ caledooper
DANKE für den schönen Einblick in das politische System! 🙂
@ Caledooper
Exzellent auf den Punkt gebracht, Danke.
Ich wuerde noch anfuegen, dass Lieberman einer der ersten ist, der die Problematik der israelischen Araber als fuenfte Kolonne politisch thematisiert, was gemaess Daniel Pipes a.) ueberfaellig und b.) richtig ist, da dieses Problem bisher eigentlich voellig unterging…
@ Rosenfeld
Aber was mit dieser fünften Kolonne tun? Offensichtlich wollen sie doch gar nicht zu den anderen Palästinensern gehören. Gleichzeitig gibt es wohl nicht wenige Extremisten unter ihnen, die in kritischen Zeiten wie Gaza-Krieg ihre Solidarität mit Hamas zeigen und nicht mit Israel.
Das kommt mir doch etwas irrational vor.
@ Medea
Die Frage ist sicherlich nicht so einfach, das gebe ich gerne zu. Um so besser, dass sie jetzt endlich auch aktiv behandelt wird.
Medea,
das ist kompliziert – und irrational, ohne Zweifel. Viele palästinensische Israelis haben Verwandte in Gaza und/oder der Westbank. Verwandtschaft geht in vielen Gesellschaften des Nahen Ostens über fast alles. Ohne Solidaritätsbekundungen, so ihre Befürchtung, würden sie ihre Verwandten gegen sich aufbringen, die sie oft genug ohnehin schon als Verräter betrachten, weil sie nach der Staatsgründung in Israel geblieben sind.
Ähnliches, so vermute ich, dürfte auch für die Klagen arabischer Israelis über ihren den Lebensstandard gelten. Sie beruhen, und das ist jetzt keine Spekulation, in vielen Fällen auf subjektiver Wahrnehmung und haben wenig mit der Realität und den tatsächlichen Ursachen zu tun. Dafür sind sie nützlich, um gegenüber den Verwandten in den Autonomiegebieten das Gesicht zu wahren.
Wie kompliziert das alles ist, weiss ich als Mischling aus eigener Erfahrung. In der Not stehen alle Familienmitglieder zusammen, ungeachtet der Herkunft oder der Religion. So war es zum Beispiel mein palästinensischer Onkel, der mich nach einem Bombenanschlag aus dem Krankenhaus holte und mich bei sich zu Hause aufpäppelte, und seine Familie suchte geschlossen und aufrichtig bekümmert das Trauerhaus meines jüdischen Freundes auf, der beim Attentat umgekommen war. Ebenso war es meine jüdische Tante, die ohne Zögern den Sohn dieses Onkels vertrat, als der Junge wegen Teilnahme an gewalttätigen Ausschreitungen in der Westbank vor Gericht stand. Solche Unterstützungsleistungen sind meiner Erfahrung nach auf beiden Seiten die Regel; es genügt dafür ein Anruf, gefragt und diskutiert wird später.
Besagter Onkel ist eine Taube, wählt aber regelmäßig arabische Parteien, deren Parlamentsvertreter öffentlich Dinge von sich geben, über die er sich fürchterlich aufregt und für die sie in Deutschland eine Klage wegen Volksverhetzung kassieren würden. Was die Tante wählt, weiß ich nicht mit Sicherheit. Ich fürchte allerdings, dass man es auf keinen Fall links von Likud ansiedeln kann. Sie ist aber eine dezidierte Vertreterin der Zweistaatenlösung. Der Onkel wiederum befürwortet drei Staaten, denn er hält die Mentalitätsunterschiede zwischen den Gesellschaften in Gaza und der Westbank für zu groß (und möchte um keinen Preis in einem dieser beiden Staaten leben).
Das alles nur zur Illustration, wie widersprüchlich das alles scheinen und sein kann. Irgendwann werden die Israelis diese Identitätsgeschichten gelöst haben, aber das wird wohl noch eine Weile dauern.
(Unser Gastgeber verzeiht mir aber hoffentlich schon jetzt das für einmal anonyme, da persönliche Kommentieren.)
@Rosenfeld und @anonym
Ich verstehe das ja mit den verwandtschaftlichen Beziehungen. Es geht aber wohl doch nicht so sehr um Loyalität und „Gesicht wahren“ unter Verwandten.
Vielmehr ist es wohl das Problem, dass sich Israel nicht auf diese Leute verlassen kann im Ernstfall. Und das geht schon in Richtung Existenzfrage Israels.
Im übrigen gab es auch schon in Einzelfällen? Selbstmordattentate, die von den Arabern in Israel an jüdischen Israelis verübt wurden. So ganz friedlich sind diese Araber in Israel wohl nicht.
Das Thema „Araber in Israel“ ist vielschichtig und daher nicht leicht zu verallgemeinern. Es gibt gute und weniger gute Geschichten über das Zusammenleben zu erzählen.
Ich glaube, dass kein Araber aus Yaffo etwas gegen die (sekulären) Israelis hat, die jeden Samstag wie eine ausgehungerte Meute in ihre Geschäfte stürmt, als ob sie schon seit Wochen nichts mehr gegessen hätten, und ihnen sämtliche Lebensmittel abkaufen (das ist in etwa so, wie vor einem Feiertag in Deutschland, bei dem die Deutschen aus Furcht vor dem anstehenden Hungertod die Supermärkte leerräumen!).
Dann gibt es da noch die arabischen Frauen, die entlang des Strandes in Tel Aviv spazieren, von oben bis unten verhüllt, und neidische Blicke auf die im kühlen Nass badenden Israelis werfen. Man denkt besser nicht darüber nach, was ihre Brüder und Väter mit ihnen anstellen würden, wenn sie sich selbst in Bikinis gekleidet ins Meer stürzen würden! Doch dafür können die Israelis nun wirklich nichts!!!
Dann gibt es noch den Araber, der 13 Jahre für einen jüdischen Bäcker gearbeitet hat. Alles verlief jahrelang friedlich, kein böses Wort zwischen den beiden, bis an einem Tag der Araber plötzlich dem Juden ein Messer zwischen die Rippen rammt. Unerklärlich, aber tatsächlich so passiert.
Es gab aber auch den alten Araber, der in der unmittelbaren Nachbarschaft meiner Großmutter wohnte. Als Kind war ich oft dort und als der Araber hörte, dass ich denselben Namen trage wie er, war ich de facto adoptiert. Ich ging in seinem Hause ein, wie ein Familienmitglied. Es spielte dabei keine Rolle, dass ich Jude und er muslimischer Araber war.
Es ist daher sehr schwer, eine anonyme Gruppe von Menschen über einen Kamm zu scheren. Es ist wie überall auf der Welt. Es gibt gute und weniger gute Menschen. Eine andere Erklärung habe ich dafür bislang nicht gefunden.
Shalom
Avram
@ Avram
„das ist in etwa so, wie vor einem Feiertag in Deutschland, bei dem die Deutschen aus Furcht vor dem anstehenden Hungertod die Supermärkte leerräumen!).“
Das hast du einfach hinreißend dargestellt. Ich musste bei deinem Satz sehr lachen.
Sicher kann man nicht eine ganze Gruppe von Menschen über einen Kamm scheren. Wenn aber ein Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber ersticht, dann zieht das Kreise und andere Arbeitgeber werden vorsichtig sein, arabische Arbeitnehmer einzustellen. Das wiederum gibt den Arabern dann Anlaß zur Klage, man würde sie diskriminieren etc.
Es scheint eine Art Kreislauf.
Medea,
Vielmehr ist es wohl das Problem, dass sich Israel nicht auf diese Leute verlassen kann im Ernstfall. Und das geht schon in Richtung Existenzfrage Israels.
Wie Avram sagt, kann man anonyme Gruppen von Menschen schlecht über einen Kamm scheren. Meine Sicht ist zudem die eines Außenstehenden, denn ich lebe nicht in Israel und halte auch keinen israelischen Pass. Die Israelis, die ich näher kenne, sind Verwandte, Freunde oder Kollegen und bilden kaum eine repräsentative Gruppe.
Daher kann ich nicht einmal begründet darüber spekulieren, ob alle oder auch nur die Mehrheit der israelischen Araber es begrüßen würden, wenn Fatah, Hamas oder irgend eine andere palästinensische Partei Israel übernähme. Von den arabischen Israelis, die ich kenne, habe ich aber eine entsprechende Äußerung noch von keinem vernommen. Gegenteilige hingegen durchaus. Es gibt auch arabische Israelis, die ihre Loyalität zu Israel so praktisch belegen, wie es nur geht: Sie leisten Militärdienst. Daneben gibt es jüdische Israelis, deren Verhalten durchaus Zweifel an ihrer Verlässlichkeit im Notfall begründet.
Im übrigen gab es auch schon in Einzelfällen? Selbstmordattentate, die von den Arabern in Israel an jüdischen Israelis verübt wurden. So ganz friedlich sind diese Araber in Israel wohl nicht.
Attentate gibt es. Auch sie auf beiden Seiten. Auf der Jüdischen haben Baruch Goldstein und Ami Popper Abscheuliches verübt.
Auf der Jüdischen haben Baruch Goldstein und Ami Popper Abscheuliches verübt.
Und wer noch? Und wieviele Parteien haben sich als Organisatoren dieser Attentate bekannt gegeben? Und wo haben die Leute deswegen auf den Strassen getanzt und gejubelt? Und wann würden danach Blümen und Süßigkeiten an die Passanten verteilt?
Die israelische Justiz bildete zur Untersuchung des Tatherganges eine Kommission unter Leitung von Meir Schamgar, dem Vorsitzenden des Obersten Gerichtes. Die Schamgar-Kommission stellte dabei unter anderem fest, dass die Tat von Goldstein allein begangen wurde.
Wo und wann haben die PA eine Untersuchungskommision gebildet um einen Terroranschlag auf einen israelischen Buss, Disco oder Café zu untersuchen?
Der damalige Ministerpräsident Jitzchak Rabin verurteilte Goldsteins Tat vor dem israelischen Parlament und sagte gegenüber Jassir Arafat: „Ich finde keine Worte, die stark genug sind, um meine Empörung auszudrücken.“ Als Israeli sei er tief beschämt. Die klare Mehrzahl der Israelis verurteilte die Tat Goldsteins.
Die Bilder der arabischen Märtyrer die sich in Israel in die Luft sprangen hängen in den Gebäuden vom PA, auf den Schulgebäuden und sind im Internet zu bewundern.
Ich denken, dass es einen großen qualitativen Unterschied macht zwischen den beiden (Goldstein, Popper) und der unzähligen arabischen Attentäter, die von ihren Landsleute MASSIV verehrt werden.
Die Zahl der Anhänger von Goldstein und Popper darf dagegen sehr überschaubar sein. Das kann man nicht mit dem Fanatismus der Palästinensischer Strase gleichsetzen.
Gewiss, der Tat vom Goldstein war abscheulich. Ob
Was mich wieder in dieses Gespraech zwischen 2 Kollegen erinnert, er, linker Israeli, waehlt Hadash, sie muslimische Araberin aus dem Norden Israels. Auf die Frage was ihre Eltern waehlen, meinte sie „Bibi“. Schockierte Gegenfrage „kriegt ihr da keine Probleme bei Euch im Dorf“, „noe, es waehlen soviele Bibi, da faellt einer mehr oder weniger auch nicht auf“
@Medea
Es freut mich, dass Du das Phänomen wiedererkannt hast!
😉
@Joram
„Und wer noch?“
Meines Wissens keiner …
„Und wieviele Parteien haben sich als Organisatoren dieser Attentate bekannt gegeben?“
Keine
„Und wo haben die Leute deswegen auf den Strassen getanzt und gejubelt?“
Nirgendwo
„Und wann würden danach Blümen und Süßigkeiten an die Passanten verteilt?“
Niemals
Hm, jetzt wo Du das sagst … ich hatte schon die ganze Zeit so ein ungutes Gefühl, so ein Kribbeln zwischen den Zehen … ich dachte schon, es sein ein Fußpilz, aber nein, jetzt verstehe ich es: ist wohl eine Mangelerscheinung … vielleicht sollten wir mehr … auf den Strassen tanzen und jubeln und danach Blumen und Süßigkeiten an die Passanten verteilen (auf das Echo freue ich mich schon!)? 😉
Shalom
Avram
Joram,
ups, das ist ein Missverständnis, und es ist wohl mir anzulasten. Selbstverständlich sind die gesellschaftliche wie auch die offizielle Reaktion ein wesentlicher Unterschied zwischen der palästinensischen und der israelischen Gesellschaft.
Ich bezog mich aber nicht auf die gesellschaftliche Akzeptanz, und schon gar nicht auf jene in den Autonomiegebieten. Ich bezog mich auf Medeas Bemerkung zu „innerisraelischen“ Ereignissen, nämlich, es habe ja offenbar unter den arabischen Israelis schon Attentäter gegeben, die gezielt jüdische ermordet haben. Womit sie völlig recht hat. So, wie es eben stimmt, dass es jüdische Israelis gegeben hat, die gezielt arabische ermordeten. So wenige, dass ich von beiden noch die Namen weiß, aber es hat sie nun mal gegeben. Sind sie Grund, die anderen jüdischen Israelis mit ihnen über einen Kamm zu scheren? Wohl kaum. Dieses Prinzip gilt in meinen Augen auch für die nicht-jüdischen Israelis.
Im übrigen mögen Attentäter jeglicher couleur verrotten – bevor sie ihr Vorhaben ausführen können.
@Anonym
in fast jeder Gesellschaft gibt es Amokläufer. Sogar in Deutschland hat ein Schüler in Erfuft ein Massenmord begangen. Und auch in Finnland und in GB und…, und…, und.
Popper war ein psychisch instabliler Typ, der unehrenhaftr aus der Armee entlassen wurde. Er bekam für den Mord 40 Jahren haft und nur eine kleine überschaubare Gruppe von Ultras kann ich für Helden halten. Und wernn er in 2033 auf Bewährung entlassen wird, wird weder seine Frau noch sein Sohn auf ihn warten. Er hat sie auch getötet. Mit dem Auto.
Wie elendig das Leben vom Baruch Goldstein zu ende ging? Darüber brauchen wir uns nicht zu streiten. Erschlagen mit einem Feuerlöscher.
Wie psychisch instabil war Baruch Goldstein als seiner Amoklauf begann?
Was ich aber schlimm finde, dass die arabische Massenmörder werden von ihren Glaubensbrüder entweder als Märtyrer verehrt oder als Helden gefeiert.
Wenn ich mir die Fratze von Samir Kuntar anschaue, dann kriege ich mein Mittagsessen zurück. Und wenn ich die Bilder aus seinem Empfang im Beirut bei You tube sehe , dann habe ich auch keine Lust auf das Abendbrot.
Joram,
wir sind uns einig: Kantar und dieser Pseudo-Märtyrer-Kult sind widerlich, und in jeder Gesellschaft gibt es Amokläufer.
Ob Goldstein und Popper auch welche waren, kann ich nicht beurteilen, ich kenne die Akten nicht. Soweit ich aber gehört und gelesen habe, töteten sie gezielt und nach ethnischen Kriterien: Der eine soll Muslime in einer Moschee abgeknallt haben, der andere Araber nach Kontrolle ihrer Ausweise. Ihre psychische Verfassung zum Tatzeitpunkt ist mir egal. Goldstein erschlagen zu haben, dürfte als Notwehr zählen und scheint mir daher genauso gerechtfertigt wie das Erschießen des Baggerfahrers und des zweiten Bombenattentäters neulich. (Wie geht es wohl dem Polizisten aus Kimona? Oder war es ein Reservist? In einer Zeitung sah ich damals eine Foto von ihm. Sie war wohl kurz danach aufgenommen worden. Der Mann sah völlig fertig aus und tat mir unendlich leid.)
Dass die israelische Gesellschaft beide Taten verurteilte, spricht in meinen Augen eindeutig für sie. Ebenso, dass Israelis nicht in Freudenschreie ausbrechen, wenn sie einen Mörder in flagranti töten, bevor er noch größeres Unheil anrichtet. Es spricht so für die israelische Gesellschaft, wie der öffentliche libanesische Jubel für Kantar gegen die libanesische spricht. Würde ich den Libanon je wieder besuchen, würde ich mich vor mir selbst ekeln.