Die EU möchte ein Zurück zu den „Grenzen“ (richtig: Waffenstillstandslinien) vom Mai 1967, jedenfalls im Nahen Osten.
Das würde bedeuten, dass Jordanien wieder bis Kalkilya reichte und Ägypten den Gazastreifen zurückerhielte. Und damit könnte Israel gar nicht so schlecht leben, sieht man mal von den unschönen Zuständen in Jerusalem ab.
Ohne uns mit der Spekulation aufzuhalten, ob es eine gute Idee wäre, kriegslüsternen Nationen nach verlorenen Waffengängen ihre Gebiete großmütig zurückzuerstatten, womit die Hemmschwelle für künftige Angriffskriege mangels Risiko bedenklich niedrig ausfiele, drängt sich allerdings die Frage auf, warum diese historisch einmalige Vorwärts-in-die-Vergangenheit-Strategie im Interesse des Weltfriedens nicht global Schule machen sollte.
Vorwärts in die Vergangenheit
Kaum hatten sich die EU-Außenminister mehrheitlich auf einen Entwurf verständigt, der die Rückkehr zu den Grenzen vom Januar 1940 vorsah, erhob sich der polnische Amtskollege und verließ fluchend den Sitzungssaal. Polen war nach diesem Plan, der maßgeblich von Deutschland und Russland vorangetrieben worden war, nicht mehr existent; ebenso wenig wie die GUS-Staaten, die Anfang der 90er-Jahre ihre Unabhängigkeit erlangt hatten, sowie die Balkanländer und Österreich. Dagegen hatten Holland, Belgien und Frankreich dem Plan zugestimmt, weil ihnen so eine erneute deutsche Besatzungszeit erspart geblieben war.
Die Vertreter der unter die Räder gekommenen Staaten hatten nichts mehr zu verlieren, also arbeiteten sie einen weiteren Entwurf aus, der eine Wiederherstellung der Grenzen von 1870 anstrebte. Dies stieß sowohl bei den Österreichern als auch bei den Ungarn auf Enthusiasmus.
Nun hatten die arabischen Staaten Blut geleckt. Sie kündigten an, in der UN-Vollversammlung eine Resolution durchzupauken, die eine Rückkehr zu den weltweiten Grenzen des späten 9. Jahrhunderts festschreiben sollte, während Portugal und Spanien auf die Verhältnisse des frühen 16. Jahrhunderts drangen; die Regierungen Englands und der Niederlande hingegen strebten das 17. oder, alternativ, das 18. Jahrhundert an. Es schien sich eine Mehrheit für das späte 16. Jahrhundert zu finden, womit, wie der französische UN-Botschafter Maurice Bidet frohlockte, „Amerika endgültig aus dem Rennen sei“. Die Internationale Vereinigung der Native Americans jubelte, und Venezuelas Hugo Chavez bekundete, er weine den „kapitalistischen Gringo-Schweinen“ keine Träne nach.
Aus Rom verlautete, die Regierung Berlusconi schlage eine Rückkehr zu den geopolitischen Realitäten zur Zeit des Kaisers Trajan vor, sei im Interesse einer gütlichen Einigung aber eventuell zu einem Kompromiss bereit: den Verhältnissen der Zeitenwende vor gut 2000 Jahren. Man könnte, so Italiens UN-Botschafter Ossobuco, auf diese Weise gewissermaßen symbolisch „wieder bei Null anfangen“. Mit Rücksicht auf den französischen Partner sei Rom bereit, die Autonomie eines kleinen gallischen Dorfes zu respektieren.
Der Delegierte Israels, der, geteert und gefedert, schon rein äußerlich nichts mit den anderen Delegierten gemein hatte, versuchte sich mit dem Vorschlag „130 v. Chr. oder früher“ Gehör zu verschaffen, erntete aber neben verächtlichem Gelächter auch empörte Buhrufe. Laut dem palästinensischen Vertreter sei diese „Provokation“ nicht hinnehmbar, sehe sie doch „jüdische Unabhängigkeit“ vor.
In scharfer Form wandte sich der griechische Botschafter Domestos Meningitis gegen den Vorschlag des italienischen Delegierten: Das fünfte vorchristliche Jahrhundert sei in vielerlei Hinsicht geeigneter, das vierte gar noch mehr, konkret etwa um das Jahr 330 v. Chr. Nur die Saaldiener konnten seinen iranischen Kollegen daran hindern, ihn tätlich anzugreifen. Wenig später brannte allerdings die griechische Botschaft in Teheran.
Auf der Konferenz im wieder errichteten Karthago herrschte im Frühjahr 2011 indes eine unübersichtliche Gemengelage. Nicht wenige Tagungsteilnehmer hatten das Gezerre satt und plädierten für „pre-ice-age“-Grenzen; alle, die auf dem amerikanischen Kontinent nichts zu suchen hätten, müssten dann eben über die Beringstraße „wieder dahin zurück, wo sie hergekommen sind“. Die Aborigines Australiens hingegen könnten bleiben, wo sie waren.
Um eine Lösung zu finden, mit der alle Beteiligten gut fahren würden, sah der letzte Entwurf des pangäischen Gremiums eine Rückkehr zum Urzustand des Jahres 7 Millionen v.d.Z. vor. „Ich denke, wir haben einen für Alle akzeptablen Kompromiss gefunden“, grunzte der Vorsitzende ins CNN-Mikrophon. „Die Hauptsache ist, dass es wieder eine Welt ohne Zionismus gibt.“
Tolle Idee! Das bringe ich meinem pro Pälistinesischen Geschichtslehrer.
Brillant! You made my day!
Schmackes! Damit hast Du dem Revisionismus den Garaus gemacht! Was Mut macht, Israel ist eine Start-up-Nation http://www.amazon.com/Start-up-Nation-Israels-Economic-Miracle/dp/044654146X
Es braucht Geduld, den sog. Palästinensern, den Söhnen Ismaels ihren Platz zu weisen.
Ungern geben wir deutsche Ansprüche bezüglich el-Alamein auf.
Mal wieder fantastisch!
Und seien wir ehrlich: der Schlusssatz zeigt doch, dass es alles eine gute Idee wäre.
Brillant wie immer!
„der griechische Botschafter Domestos Meningitis“ *lol*
[…] spiritofentebbe.com […]
Mit der Überschrift „Amis raus aus USA, Winnetou ist wieder da“ (Spontislogan meiner Spätjugend) habe ich einen Auszug Ihres Artikels für meinen Blog übernommen und hoffe auf Ihr Einverständnis.
Man sollte wirklich meinen, die Europäer hätten ausreichend eigene Probleme.
Politiker, die die Grenzen von 1967 im Nahen Osten fordern, haben einfach nicht begriffen, dass man altes Unrecht (sofern Krieg Unrecht ist) nicht durch neues Unrecht heilen kann.
Man sollte sowieso dringend darüber nachdenken, auch die geologischen Ungerechtigkeiten (Plattenverschiebungen etc.) wieder rückgängig zu machen.
Für ein Atlantis in den Grenzen von… na, Sie wissen schon!
Witziger Blog, hier wird nicht genuschelt.
Ich erlaube mir eine Spekulation: Alle Welt, von den Christen bis zu den Säkularen, von den Palis und Muslimen zu schweigen, ist dagegen, dass Israel vom Mittelmeer bis zum Jordan besteht. Weil das möglicherweise eine Bestätigung des Versprechens G´ttes an die Patriarchen und ihre legitimen Nachkommen wäre. Also eine unerträgliche Bevorzugung Israels in der Geschichte. Deshalb eine Welt ohne Zionismus. Also mindestens zurück nach Ur. Ansonsten fröhliche Geopolitik.
@stefan: 😉
ich plädiere für 1100 wenn recht ist 😀
Herr Casula, Ich bedanke mich von Herzen und beuge das Knie vor so viel Witz und einer spitzen Feder !
Besten Dank, Herr Casula!
Mein Gelächter müsste in der ganzen norddeutschen Tiefebene zu hören gewesen sein…
Nun ‚ran ans nächste gemischte Doppel,
Grüße von L.
Herrlich!
Es fehlt nur noch ein Absatz mit der Forderung der Skandinavischen Länder zur Rückkehr der Grenzen des 11. Jahrhunderts (siehe http://en.wikipedia.org/wiki/File:Viking_Expansion.svg ). Von Russland bis Amerika!
Mein Gott, es ist für die EU eben einfacher den Nahostkonflikt zu lös … äh, zu besprechen als im eigenen Vorgarten die Lage in Zypern, Baskenland, Bosnien oder in der Republik Moldavia zu bereinigen.
Noch dazu wo es dort auch nicht um den Weltfrieden geht . *Pathos off*
Aber wenn ich es mir recht überlege, erfüllt Israel wesentliche Bedingungen für eine Aufnahme in das Friedensprojekt EU.
[…] Casula nimmt einen Herzenswunsch der EU auf die Schippe – man kann auch sagen, er beschreibt, was passieren müsste, wenn man so agiert und fordert wie […]
Der Artikel ist großartig. Aber die EU kommt zu leicht davon.
Denn wer, wie die EU, die Grenzen von 1967 fordert, fordert im Grunde, dass Israel sich seinerzeit nicht verteidigen hätte sollen. Denn nur das Vorrücken hat das Überleben Israels ermöglicht. Wer sagt, dass er das Vorrücken Israels nicht anerkennt, wollte damals – und vermutlich heute – die Vernichtung Israels.
Gerade bei stern.de gelesen, Zitat: „Palästina vom Mittelmeer bis zum Fluss Jordan ist ein islamisches Gebiet, das nicht Gegenstand von Konzessionen ist“ (Montag bei Hamas-Gründungsfeier in Gaza offiziell geäußert). Aber die westliche Welt fordert weiter fröhlich die 2-Staatenlösung. Da werde ich das Gefühl nicht los, dass der Wahnsinn Methode hat.
Oh ja, das war der ARD gestern sogar eine ca. 10 Sekunden lange Meldung in den Tagesthemen (oder wars die Tagesschau?) wert, über die dann einfach so hinweggegangen wurde. Nach dem Motto: Ach, das werden die schon nicht wirklich ernst meinen, wenn man mal mit ihnen verhandelt und ihnen doch noch die oder jenes anbietet.
Als ersten Schritt sollte die Türkei ihre westlichen Gebiete an Griechenland übergeben. Insbesondere sollte die Hagia Sophia wieder in eine Kirche zurückumgewandelt werden. Vor 550 Jahren wurde die damals bedeutenste christliche Kirche von einem Eroberer geschändet und in eine Moschee umgewandelt. Zuvor waren dort 950 Jahre lang christliche Gottesdienste gefeiert worden. Interessanterweise steht darüber wenig in unseren Schulbüchern, die doch imperialistische Verbrechen so umfassend darstellen sollen.