Allen Freunden dieses Blogs, die noch auf der Suche nach hübschen Geschenken sind oder sich selbst etwas Gutes gönnen möchten, seien einige Bücher empfohlen, die ich im zu Ende gehenden Jahr mit Gewinn gelesen habe:
Geert Mak: In Europa
Der niederländische Schriftsteller bereiste das ganze Jahr 1999 hindurch zahlreiche Orte, die mit der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts in Zusammenhang stehen – von Madrid bis Stalingrad / Wolgograd, von Riga bis Istanbul – und handelt so alle relevanten Ereignisse und Entwicklungen vom fin de siecle bis zum Zusammenbruch des Sowjetreiches und den Balkankriegen ab. Schließt auch für in der Zeitgeschichte Bewanderte noch diverse Bildungslücken und wartet außerdem mit allerlei Anekdoten auf. Informativ, voller persönlicher Geschichten (die gleichwohl für die Erfahrungen Vieler stehen) und glänzend geschrieben; da lässt sich auch der Nachteil verschmerzen, dass ein 10 Jahre altes Buch nicht mehr die heutige Realität in den bereisten Ländern abbildet.
Jan Fleischhauer: Unter Linken.
Von einem, der aus Versehen konservativ wurde
Ein kluges und angenehm unaufgeregt geschriebenes Buch; der Autor war nie Hardcore-Linker, der sich zum eifernden Renegaten entwickelt hätte, vielmehr geht er mit offenen Augen und Ohren durch die Welt und wundert sich, dass offensichtliche Irrtümer von so Vielen auch nach Jahrzehnten nicht erkannt werden – oder dass sich Gefühlslinke so bockig und wider besseres Wissen gegen gewisse Erkenntnisse sperren. Mit leichter Hand und Sinn für Ironie geschrieben, einfach ein schönes Buch.
Steven Pinker: Das unbeschriebene Blatt.
Die moderne Leugnung der menschlichen Natur
Sind wir bei der Geburt „unbeschriebene Blätter“, gewissermaßen zu 100 Prozent durch die Umwelt prägbar? Pinker legt auf beeindruckende Weise dar, dass dem nicht so ist, dass der Einfluss durch die Umwelt maßlos überschätzt wird, dass die Erbanlagen eine viel größere Rolle spielen, als man gemeinhin einzuräumen bereit ist (gilt vor allem für die bekennenden Träger ideologischer Scheuklappen). Inhaltlich und stilistisch ein Genuss, stellenweise sogar, bei aller Seriosität in der Sache, trocken witzig. Am Ende bleibt vor allem das Staunen über die Belesenheit, den Verstand und die Eloquenz des Autors.
Volker Seitz: Afrika wird armregiert
Warum Subsahara-Afrika auch nach jahrzehntelanger (leider verfehlter) Entwicklungshilfe bis auf wenige Ausnahmen nicht in die Gänge kommt, erklärt der Ex-Botschafter sehr deutlich. Das Hauptproblem liegt darin, dass die allermeisten Länder miserabel regiert werden, dass Machtgeilheit und Korruption all die Milliardenhilfen letztlich nur in den Taschen der falschen Leute landen lassen. Interessanterweise sieht Rupert Neudeck, der das Vorwort schrieb, das auch so. Nur in Palästina sieht er´s anders. Nun ja.
David Grossman: Eine Frau flieht vor einer Nachricht
Großer Roman. Als sein Sohn im Libanon fiel, so las ich später, sagte Grossman, der das Buch damals noch nicht fertig hatte, zu Amos Oz: „Ich weiß nicht, ob ich das Buch noch retten kann.“ Und Oz erwiderte: „Das Buch wird dich retten, David.“ Es ist ihm zu wünschen.
Ron Leshem: Wenn es ein Paradies gibt
Roman des jungen Journalisten Leshem, der recht drastisch beschreibt, wie eine Gruppe israelischer Soldaten kurz vor dem Abzug aus dem Südlibanon mit der absurden Situation umgeht, bis zum Tag X in einer alten Kreuzfahrerfestung als sitting ducks für die Hisbollah dienen zu müssen. Das Buch diente als Vorlage für den oscarnominierten Film „Beaufort“.
Pedro A. Sanjuan: Die UN-Gang
Altgedientes amerikanisches Schlachtross berichtet von seinen Erfahrungen im Generalsekretariat der Vereinten Nationen. Selbst für jemanden, der den UN so ziemlich alles zutraut, noch starker Tobak. Das Ausmaß an Inkompetenz, Selbstbedienungsmentalität, Schlendrian, krimineller Energie und krudem Antisemitismus schlägt, um eine Redewendung von Heinz Erhard zu gebrauchen, „dem Fass die Krone ins Gesicht“. Nach der Lektüre wundert einen gar nichts mehr.
Shalom Auslander: Eine Vorhaut klagt an
Eine der zurzeit beliebten „Coming-of-age“-Geschichten, allerdings mit einer doppelten Dosis zynischen Witzes angereichert: Auslander, der aus einem jüdisch-orthodoxen Elternhaus in New York stammt, pöbelt gegen naiv-religiöse Menschen, den Glauben an sich und Gott persönlich. Und hadert in selbem Maße mit sich selbst. Grandiose Tirade.
Giles Milton: Muskatnuss und Musketen.
Europas Wettlauf um Ostindien
Schade ist es nur um den Titel (im Original: Nathaniel´s Nutmeg. How One Man´s Courage Changed the Course of History), der der verbreiteten Neigung zum Alliterieren zum Opfer fiel, ansonsten ist Miltons Buch eine packende Erzählung vom Ringen der Niederländer und Briten um die Gewürzinseln, speziell den winzigen Archipel der Banda-Inseln im 16. und 17. Jahrhundert.
Daniel Gordis: Saving Israel.
How the Jewish People Can Win a War That May Never End
Da man hierzulande fast nur noch die ranzigen Ergüsse von Flottau, Neudeck, Grosser, Finkelstein, Hass und Konsorten verlegt, ist mit einer deutschen Ausgabe nicht zu rechnen. Kein Wunder, denn Gordis hält ein flammendes Plädoyer für die Wehrhaftigkeit des jüdischen Staates, der für die Zukunft des jüdischen Volkes unverzichtbar ist. Bei klarem Verstand und mit großem Herzen geschriebenes, ehrliches Buch, das tausend gute Gründe für den Zionismus benennt, ohne Illusionen, dafür aber mit viel Optimismus erklärt, warum es Israel geben muss und warum man sich guten Gewissens dafür einsetzen darf und muss. Gehört eigentlich jedem Deutschen auf den Nachttisch gelegt, jedoch – siehe oben.
Freut mich, dass mein Tip gut angekommen ist und Dir Gordis‘ Werk auch so zugesagt hat. Wirklich ganz, ganz weit oben anzusiedeln!
Danke für die Tipps!
Titel, Thesen, Temperamente hat 2006 schon einmal über das Buch von Pedro San Juan berichtet. Ich habe die Sendung von damals hier beschrieben:
http://www.israel-network.de/node/60
@ vonhaeften
Danke für den Link. Nach dieser „Empfehlung“ von TTT will ich dieses Buch unbedingt auch lesen! 😉
Shalom
Avram
Vielen Dank für die tollen Tips. Ich habe Samstag das Buch von Daniel Gordis angefangen und bin bisher begeistert. Ich war bereits im ersten Kapitel fast zu Tränen gerührt. Die Erzählung von jungen amerikanischen Juden die auf ihre Birthright Touren gehen waren genau wie mein erstes mal in Israel. Ein tolles Buch, dass, bei all der Problematik, richtig Stolz machen kann.
Mein Tipp:
Hitlers Judenhass: Klischee und Wirklichkeit
(Ralf Georg Reuth)
http://www.amazon.de/Hitlers-Judenhass-Ralf-Georg-Reuth/dp/3492051774
wie Brigitte Hammans Hitlers Wien liefert das Buch einen interessanten neuen Baustein, um das Phänomen Hitler besser zu verstehen.
Danke für die Tips.
„Das Buch wird dich retten, David“ Das wünsch ich ihm auch von ganzem Herzen.
@Claudio Casula:
Bezüglich Fleischhauer:
Findest Du wirklich? Ich muss sagen, dass ich etwas enttäuscht war. Fleischhauer schreibt so, wie man eben schreibt, wenn man SPIEGEL-Autor ist. Für mich läuft das Buch daher unter der Kategorie: nette Idee, hätte aber jemand anderes machen sollen.
Fleischauer hatte ich angefangen, aber nach ca 50 Seiten ging mir sein mitunter pauschales und selbstgefälliges Geschwafel schon etwas auf den Geist, so dass ich danach nur noch quergelesen hab.
@ Claudio Casulo
Gibt es dieses Jahr wieder Buchtipps?
Ich suche ein Büchlein, das die Hintergründe zum Nahostkonflikt für jedermann verständlich beschreibt. Hab da ein paar Spezies, denen ich das gerne auf den Gabentisch legen würde.
Danke!
Schade – finde, der ganze Fleischhauer lohnt sich. Vielleicht nimmst Du noch einen zweiten Anlauf?
Ja, es wird wieder Buchtipps geben. Und zum Thema speziell auch. Gemach, gegenwärtig bleibt leider wenig Zeit für den Blog.
@ CC
Mir fiel z.B. die Pauschalierung zu Opfern etwas auf die Nerven. Nicht alle Opfer sind selbstdarstellungsgeil. Aber okay, ich geb dem Buch noch eine zweite Chance. 😉
Und warte geduldig bzgl. Buchtipps. (aber nicht zu viel „Gemach“ bitte, morgen ist schon der erste Advent!).
[…] so: „Geht ein SoE-Autor an einer Buchhandlung vorbei.“ Was mich betrifft, empfehle ich, wie vor Jahresfrist, gern zur Lektüre weiter, was mir im ablaufenden Jahr lesenswert erschien. Dass es sich in erster […]