Ein Gastbeitrag von Stefan Frank
Kein Land der Arabischen Liga beantragt eine Sitzung, die sich mit der blutigen Niederschlagung von Protesten in Syrien und der Ermordung von Gegnern des Assad-Regimes befasst. Warum? „Syrien ist anders als jedes andere arabische Land“, sagt ein Funktionär der Arabischen Liga. „Als ein Land unter israelischer Besatzung … hat das herrschende Regime in Damaskus eine gewisse Besonderheit, das Land befindet sich in einem Kriegszustand.“ Die Golanhöhen – 0,65 Prozent der Fläche Syriens – sind von Israel besetzt, also darf Assad ruhig auf Demonstranten schießen.
Daran kann man die Überlegung knüpfen, ob auch Gaddafi mit so viel Nachsicht behandelt würde, wenn er seinen Kampf gegen die Juden noch genauso entschlossen führte wie in den siebziger und achtziger Jahren. Er wird mit anderem Maß gemessen als Bashar al-Assad – was aber nicht bedeutet, dass er keine Freunde mehr hätte. Auch ein Antisemit in Altersteilzeit hat noch viele Anhänger, die ihn wegen seiner „antiimperialistischen Vergangenheit“ schätzen und lieben. Oder dann, wenn sie gezwungen sind, sich von ihm aus geschäftlichen Gründen zu distanzieren, es auf eine Weise tun, die die alte Bewunderung immer noch durchscheinen lässt. Zwei Beispiele:
Der Nicaraguaner Miguel D´Escoto-Brockmann („Israel kreuzigt die Palästinenser“) ist ein ehemaliger katholischer Priester und Exaußenminister seines Landes. Der Schweizer Jean Ziegler ist Soziologe und Bestsellerautor. Ziegler und D´Escoto-Brockmann haben einiges gemeinsam. Sie sind beide linke Antisemiten, sie haben beide bei der UNO Karriere gemacht (D´Escoto-Brockmann war von September 2008 bis September 2009 Präsident der Generalversammlung, Ziegler war von 2000 bis 2008 UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung und wurde 2008 in den Beratenden Ausschuss des UN-Menschenrechtsrats gewählt), sie haben beide schon oft Gaddafis Hand geschüttelt, und beide sind aus diesem Grund gerade in den Nachrichten. D`Escoto-Brockmann sollte Gaddafis neuer UN-Botschafter werden.
Wettet er da nicht auf ein totes Pferd? Ist das nicht so, wie wenn er im März 1945 in die NSDAP eingetreten wäre? Die Aktion misslang, denn die USA wollen Herrn D´Escoto-Brockmann kein Diplomatenvisum ausstellen.
Jean Ziegler war 1989 Mitglied der Jury, die den ersten „Gaddafi-Preis für Menschenrechte“ verlieh. 2002 erhielt er selbst den Preis, zusammen mit dem Holocaustleugner Roger Garaudy. Seinen Posten bei den Vereinten Nationen hat Ziegler vornehmlich dazu benutzt, Hass auf Israel zu schüren. Dieses Jahr sollte er bei den Salzburger Festspielen eine Rede halten, wurde aber dann doch ausgeladen. Die Festspielleitung fürchtete, die Anwesenheit Zieglers könnte „diesen Aspekt“ – gemeint ist der Gaddafi-Aspekt – „allzu sehr in den Mittelpunkt des Interesses rücken, statt der künstlerischen Aspekte der Festspiele“. Ziegler sieht sich als Opfer einer Verschwörung: „Meine Vermutung ist, dass Sponsoren Druck auf die Landeshauptfrau gemacht und ihr gesagt haben: Was? Ihr wollt unseren Feind, den Ziegler, einladen?“, sagte er dem Wiener „Standard“. Dass der Chef des Sponsors Nestlé sich aber in Wirklichkeit gar nicht als Zieglers Feind betrachtet, hat Ziegler selbst zugegeben: „Kennen Sie den Brabeck, den CEO von Nestlé? Ich kreuz den ab und an beim Skifahren. Ein Halunke ist das nicht, sondern ein ziemlich anständiger Mensch“, sagte Ziegler im Januar in einem Interview.
Würde sich Ziegler nicht immer mit seinen Bekanntschaften aus der internationalen High Society öffentlich brüsten, redete vielleicht niemand von seiner Freundschaft mit Gaddafi. „Ich war einer von den Intellektuellen, die er oft eingeladen hat“, prahlte Ziegler noch im März. „Damals habe ich Gaddafi als blitzgescheiten, argumentativen, analytisch begabten Menschen erlebt. Er spricht perfekt Englisch, er liest sehr viel und er war ein absolut brillanter Redner. Das weiß jeder, der ihn bei den Revolutionsfeierlichkeiten auf dem Grünen Platz erlebt hat. Er hat die Menge gespürt, intuitiv begeistert.“
Blitzgescheit? Genauso analytisch begabt wie – Jean Ziegler? Und ob. „Jüdische Konvertiten“, sagte der Revolutionsführer 1984 in einem Gespräch mit Reportern, hätten die Spaltung des Islam in Sunniten und Schiiten herbeigeführt, nun arbeiteten sie mit dem gleichen Mittel daran, die katholische Kirche zu zerstören. Und weiter:
„Auf dieselbe Art haben sie über viele Generationen Experten geformt, die angewiesen sind, die Weltwirtschaft zu untergraben. Heute sind die Wechselstuben, die Banken und Universitäten mit Zionisten gespickt, die kein anderes Ziel haben. Die Wirtschaftskrise, die die Welt 1929 getroffen hat und die, die sich seit zwei oder drei Jahren abspielt, sind beide auf die Ausweitung des zionistischen Einflusses auf alles, was mit Wirtschaft zu tun hat, zurückzuführen … Statistiken bestätigen diese jüdische Herrschaft … Nach 1929 haben die Zionisten versucht, ihre Hand auf Deutschland zu legen. Aber man muß sagen, weil es die Wahrheit ist, daß Hitler – dessen schreckliche Massaker wir verurteilen – ihre Absichten durchschaut hat. Nach ihrem Fehlschlag in Deutschland haben die Zionisten ihre Pläne auf die Vereinigten Staaten gerichtet. Sie werden dieses Land dazu zwingen, in einen Atomkrieg einzutreten, dessen Opfer das amerikanische Volk sein wird.“
Heute ist es Ziegler, der überall eine jüdische Verschwörung am Werk sieht. Schon vor fünf Jahren, als ein Reporter ihn nach seinem Verhältnis zu Gaddafi fragte, wetterte er, statt Antwort zu geben, gegen „rechte Gruppen wie das American Jewish Committee“, die – Zitat: „bumm, bumm, bumm, bumm“ – Rufmord an allen betreiben würden, die „gegen Besatzung“ sind (man kann es auf Youtube sehen, die Stelle beginnt bei 0:53). Dem „Standard“ sagte er jetzt: „Das ist eine Verleumdungskampagne, die das American Jewish Committee seit meinem Bericht über den Hunger in Palästina aus dem Jahr 2004 führt.“
Weitere Träger des Gaddafi-Preises für Menschenrechte waren in den letzten Jahren: der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan, Venezuelas Präsident Hugo Chávez, der bolivianische Präsident Evo Morales, Nicaraguas Präsident Daniel Ortega, Malaysias ehemaliger Präsident Mahathir Mohamad („Es kann nicht sein, dass 1,3 Milliarden Muslime von ein paar Millionen Juden unterdrückt werden“) und der antijüdische „Nation of Islam“-Aktivist Louis Farakhan.
Auch Jörg Haider war ein enger Freund von Gaddafi.
Zwei Fragen tauchen hier auf. Erstens: Warum verbünden sich eigentlich linke Revoluzzer ausgerechnet mit Gaddafi? Sie mögen doch normalerweise die Reichen nicht, oder? Mit einem Vermögen, das auf einen dreistelligen Milliardenbetrag geschätzt wird, ist Gaddafi der reichste Mann der Welt. Das libysche Volk bekommt von den Ölmilliarden so gut wie nichts, Gewerkschaften sind verboten, die Löhne seit 1981 eingefroren. Von dem, worauf Linke üblicherweise stehen, hat Gaddafi wenig; er ist kein Robin Hood, sondern ein Mafiaboss, der komische Kleidung trägt. Was also unterscheidet Gaddafi eigentlich von den Diktatoren, die auf Linke keine oder wenig Anziehungskraft ausüben? Zweitens: Was ist es, das Gaddafi, radikale Linke wie Chavez, Ortega, Morales und Ziegler sowie radikale Rechte wie Mahathir, Haider, Erdogan, Garaudy und Farakhan an einen großen Festtisch bringt? Wie lange man über diese Frage auch nachdenken mag, es gibt nur eine Antwort: Es ist ihr Antisemitismus. Die einen sind linke Antisemiten, die anderen rechte Antisemiten, doch ihr gemeinsamer Hass auf die Juden lässt alle sonstigen Unterschiede bedeutungslos werden. Und der Antisemitismus ist das, was sie alle an Gaddafi bewundern. Gaddafis Revolution war von Anfang an eine antisemitische. Gleich nach seiner Machtübernahme ließ der „blitzgescheite“ Gaddafi allen Besitz, der Juden gehörte, beschlagnahmen; Schulden, die Nichtjuden bei Juden hatten, wurden annulliert. In den achtziger Jahren ließ Gaddafi Anschläge auf Synagogen verüben, zahlreiche Menschen kamen dabei ums Leben. Und Ziegler will ernsthaft behaupten, er sei nur deswegen im Gaddafi-Club gewesen, weil – ja, warum noch gleich? „Als Soziologe versuche ich zu verstehen, wie die Welt funktioniert, und da ist es für mich natürlich interessant, mit einem Staatschef zu sprechen, auch wenn er ein Halunke ist.“ (Man beachte, dass Ziegler auch hier wieder das oben bereits benutzte, relativ milde Wort „Halunke“ gebraucht, ein vom tschechischen holomek abstammendes Wort, das noch bis zum 19. Jahrhundert Bettler, Gauner, Diener, Knecht bedeutete, das er gewiss nicht verwenden würde, wenn er von denen spricht, die er wirklich hasst – wie etwa Hosni Mubarak, George W. Bush). Ziegler will uns also weismachen, er habe Gaddafi lediglich zum Zweck soziologischer Studien besucht. Was würden Zieglers Feinde, die Weisen von Zion, dazu sagen? Bumm, bumm, bumm, bumm.
In der UNO, die sich seit jeher als Organisation gegen Israel versteht, sind Ziegler und D´Escoto-Brockmann jedenfalls gut aufgehoben. Kürzlich wurde bekannt, dass Syrien den Sitz im UN-Menschenrechtsrat anstrebt, der nach dem Ausschluss Libyens freigeworden ist. Seine Chancen stehen gut.
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Stefan Frank ist freier Journalist. Auf seiner Homepage ist eine Auswahl seiner Texte und Interviews zu finden.
Nazis erkennt man nicht immer auf den ersten Blick
http://anti3anti.wordpress.com/2011/04/03/nazis-erkennen/
Stellt sich die spannende Frage, ob Gadhaffi sich noch lange genug hält, um Mugabe in den illustren Kreis der Menschenrechtspreisträger aufnehmen zu können.
[…] Jean Ziegler machen sich schon andere Gedanken, deshalb hier Richard […]
Nicht zu vergessen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Gertrud_Schilling#Libyen-Besuch
Aber gut, damals waren beide Seiten noch „glaubwürdige“ Revolutionäre. 😉
Als Schweizer wird mir von unserer Mainstreampresse immer vorgebetet, dass unserem Ansehen z.B. die Minarett-Initiative schade. Von einem Dorftrottel wie Ziegler ist nie die Rede. Unserem Ansehen schadet besonders, dass wir eine komplett irrsinnige Aussenministerin (Calmy-Rey) haben, die dieses antisemitische, demente Dreckschwein noch unterstützt.
Ziegler hin, UNO her. Nicht zu toppen:
Der Aachener Friedenspreis fordert die NATO auf, Israel zu bombardieren.
http://anti3anti.wordpress.com/2011/04/05/bomben-auf-aachen/
[…] sind von Israel besetzt, also darf Assad ruhig auf Demonstranten schießen. Stefan Frank, Spirit of Entebbe, 03.04.11 über die Logik der Rechtfertigung der Arabischen Liga, keine UNO-Sitzungen zu Syrien und der […]
[…] Plagiatsaffäre sprechen könnte. Aber Gaddafi wird sich nicht beschweren, bei der Wahl seiner Freunde ist er recht anspruchslos. Es reicht, wenn sie sich dem Kampf gegen den kosmopolitischen Feind […]