Von Malte S. Sembten
In Deutschland
In Deutschland sind Juden beliebt
Wenn es sie nicht mehr gibt.
Man liebt sie in Büchern, auf vergilbten Fotografien,
Wo sie lächelnd, vorahnungslos
In die Kamera sehen
Oder machtlos, verängstigt
Vor deutschen Uniformen stehen.
Tote Juden sind lang genug her –
Sie stören nicht mehr,
Sie sind fügsam, bescheiden,
Bei Bedarf leicht zu meiden
Und schweigen im Grab.
Drum haben wir Deutschen ihnen auch gerne verziehen
Dass es sie einmal gab.
Keine Sympathie
Herrscht in Deutschland für die
Lebendigen Juden, die in ihrem eigenen Staat
(Gegen unseren freundlichen Rat)
Sich vorlaut gerieren.
Die sich selbstbewusst spreizen,
Bewaffnet stolzieren,
Und uns unentwegt reizen.
Die sich ihrer Haut erwehren,
Statt moralische Lehren
(Erteilt von Berlin)
Aus Auschwitz zu zieh’n.
In Deutschland sind Juden beliebt
Wenn es sie nicht mehr gibt.
…
Keine Sympathie
Herrscht in Deutschland für die
Lebendigen Juden, die in ihrem eigenen Staat
(Gegen unseren freundlichen Rat)
Sich vorlaut gerieren.
Wie gern würde ich Ihnen energisch widersprechen können! Leider habe ich den Eindruck gewonnen, dass allzu viele meiner Landsleute (eigentlich ist schon jeder einer zu viel) genau so denken.
Ein Freund von mir nennt das „Judeophobie“ und hält es sozusagen für die vornehmere Schwester des Antisemitismus.
Ich halte sie freilich lediglich für seine weniger extrovertierte Zwillingsschwester.
wer wo keine gedichte schreiben
kann, sollte es lieber bleiben
…lassen… ähh….
scheint ein echter netter Knabe zu sein, dieser Fantômas oder will uns etwa obiger Dichter mit Hilfe des fehlenden Accent Circonflexe eine tiefere Weisheit mitteilen?
http://de.wikipedia.org/wiki/Fantômas
In meinen Schultagen nannten wir den Circonflexe übrigens Accent Dächelche …
Für die des Hessischen Unkundigen:
Dächelche = Dach = Dachschaden?
Andererseits erinnere ich dunkel, daß der Dächelche da zum Einsatz kommt, wo es mal ein S gab, er ersetzt also ein fehlendes S. Vom Buchstaben S ausgehend könnte ich nun natürlich mit den freien Assoziationen richtig in die Vollen gehen, aber vielleicht erklärt es uns Literaturkritiker Fantomas ja viel besser.
Fantômas ist ein skrupelloser und zugleich genialer Schurke. Seine Verbrechen zeichnen sich durch Brutalität und Einfallsreichtum aus. So füllt er Parfümflaschen in einem Kaufhaus in Paris mit Schwefelsäure, setzt pestverseuchte Ratten auf einem Passagierschiff aus oder zwingt ein Opfer, seine eigene Hinrichtung zu erleben, indem er es mit dem Gesicht nach oben in eine Guillotine zwingt.
Solche Reim-dich-oder-ich-freß-dich-Gedichte bitte nicht mehr…
chateaudur – hierzu hat Wikipedia nix zu bieten, aber schon wieder haben wir hier das fehlende Dächelche, der fehlende Verweis auf das fehlende S
– was oh was ist nur die tiefere Bedeutung dieses Weglassens.
Da Wikipedia nicht hilft, die haben nur was zu Châteaudun, bringt uns vielleicht ne wörtliche Übersetzung weiter?
Dur heißt hart sagt meine Erinnerung, hart wie in hartes Leben oder hartes Schicksal aber auch hartes Material, vielleicht Hart wie (Krupp)stahl?
Hartes Schloß, der Literaturkritiker wird’s uns wohl kaum verraten. Doch kann es sein, daß wir es hier mit einer multiplen Persönlichkeit mit fehlendem Dach … zu tun haben?
A matter of taste, würde ich sagen.
Vielleicht gefällt Ihnen das Gedicht (?) besser, das die Poetin des Grauens zum Dahinscheiden des Terrorsympathisanten Vittorio Arrigoni verfasste. Zu finden auf Arendts Seite. Halten Sie aber zur Sicherheit ein sickness bag bereit.
also ich habe den verlinkten Post gelesen und muß doch ganz energisch protestieren:
Unverschämtheit!!! Diskriminierung!!! Ageism!!! Misogyni!!!
Statt ihren Enkeln schöne warme Pullover zu stricken
Stefan Heym hat irgendwo mal was Überzeugendes dazu gesagt/beklagt, wie das mit Schriftstellern und eigene Werke übersetzen so ist. Daher möchte ich Avnery in dem Punkt „freisprechen“.
Was die Reime betrifft, die sind wohl nicht ernsthaft zu beanstanden.
Man kann sich aber durchaus an der sonst „ungebundenen Form“ des Gereimten stören und das für Unvermögen halten.
Doch ein formal strenges Strophen- & Reimschema (z. B. a-b-a-b/c-d-c-d/etc.) mit klassischer Silbenzählung hätte angesichts des Themas und der sarkastischen Art der Behandlung gewirkt wie aus der Bütt rezitiert.
Eine völlig ungebundene, reimlose Form hingegen wäre angesichts des Inhalts in einen pseudolyrischen Betroffenheits-Erguss ausgeartet. Wer derartiges mag und sucht, dem hat CC mit seinem obigen Hinweis freundlich geholfen.
Insofern ist die Form des Gereimten (abseits der Frage dichterischen Vermögens oder Unvermögens) mit gutem Grund bewusst gewählt.
Dass Dichten & Reimen heute mehr denn je ein handwerkliches Risiko mit erhöhter Gefahr darstellt, in den gestrengen Augen der Kritik zu scheitern, war und ist dem Urheber natürlich bewusst 🙂 .
@ Malte
da bisher fast nur Negatives kommentiert wurde, zugleich aber die beste Textkritik von dir selbst stammt, sei jetzt mal von mir angemerkt: Das Gedicht ist absolut nicht schlecht, und zwar sowohl formal als auch inhaltlich. Obwohl man schon ahnt, was kommt, versetzt einem das „Drum haben wir Deutschen ihnen auch gerne verziehen Dass es sie einmal gab.“ doch einen Schlag, wenn man es liest.
Was die Form betrifft: Von Ferne grüßen Morgenstern, Kästner und Ringelnatz. Durchaus angemessen, mit leiser Selbstironie und weit entfernt von „Reim dich oder ich fress dich“. Scheint den meisten nicht so zu gehen, aber – mir gefällt’s.
Mir gefällt’s, und jetzt weiß ich auch warum. 😉
Aua, das tut weh! Leider sind solcherlei schöpferische Ergüsse der Güteklasse Seniorengeburtstag oder Schrebergartenfest nicht selten. Wie wär’s mit einem kleinen Wettbewerb zum Thema „grässliche Reime“? Hier schon mal ein Fundstück (für Risiken und Nebenwirkungen …)
Stuhl
In meinem Wohnzimmer steht ein Ungetüm
Mit dem ich mich vor Besuchern rühm.
Nun verfügt es über der Beine viere
Weshalb ich dacht es wär ein Tiere.
Doch weder Katz, noch Has, oder Hund
Darüber taten die kahlen Beine kund.
Für Ratte oder Maus ward’s zu groß
Und, dies versetzte mir einen Stoß,
Für Elefanten war es doch zu kleene,
Besaß obendrein auch noch eine Lehne.
So verliere ich meinen Tierhalterstolz
Muss ich doch erkennen, es ist aus Holz!
Ist doch kein Tier, so ist der Lauf,
Traurig setz ich mich auf ihn drauf.d
Seit wann müssen sich Gedichte reimen? Irgendwas in der Schule verschlafen?
mich wunderts gerade wie kritiker des gedichts derart angeblafft werden? a matter of taste leute.
och, die armen, armen Kritiker
Austeilen können sie, mit dem Einstecken ist’s schon weniger gut bestellt
und ganz nebenbei habe ich mich noch gar nicht dem üblen Geruch von Ageism gewidmet, aber was nich iss, kann ja noch werden.
[…] S. Sembten hat auf Spirit of Entebbe ein Gedicht über die Deutschen und die Juden […]
Ich danke für den Hinweis auf die „Poetin des Grauens“. Auf dem ersten Foto im Text meinte ich, Stéphane Hessel (mit accent aigu) zu erkennen. Danke für die Aufklärung, daß es „eine Dame, Anfang 80“ ist.
Wenn der Inhalt zu treffend ist, schreibt man offenbar umso mehr über die Form. Das verhindert, sich mit dem Inhalt und damit mit sich selbst auseinandersetzen zu müssen. Interessant…