Wenn sich schon im Nahen Osten nichts bewegt, jedenfalls nicht zum Guten, ist es grundsätzlich zu begrüßen, dass endlich die längst überfällige Debatte über das Übel des heimischen, als legitime „Israelkritik“ camouflierten Antisemitismus geführt wird – Jakob Augstein, einem der bekannteren Vertreter der deutschen Israel-Obsession, sei Dank.
Nun ist zur Causa Augstein eigentlich alles gesagt; aber noch nicht von allen, daher hier noch meine paar Cent zur oft gehörten Behauptung der „Israelkritiker“ vom Schlage des „Freitag“-Herausgebers und SpiegelOnline-Kolumnisten, mit dem wir uns aus gegebenem Anlass auch schon einmal beschäftigt haben, sie kritisierten doch nur die Politik der gegenwärtigen Regierung in Jerusalem, die natürlich ganz furchtbar und „ultranationalistisch“ sei. Jemand, der seit mehr als drei Jahrzehnten aufmerksam beobachtet, wie sich, was die öffentliche Meinung zu Israel betrifft, der Wind in Deutschland drehte, kann über diese fadenscheinige Schutzbehauptung nur den Kopf schütteln.
Dankenswerterweise hat kein Geringerer als Jakob Augstein selbst sich in seiner SpOn-Kolumne Mitte September 2011 diesbezüglich vielsagend verplappert:
Als israelische Sicherheitskräfte vor einem Jahr in internationalen Gewässern das türkische Schiff „Mavi Marmara“ enterten und acht türkische und einen amerikanischen Staatsbürger erschossen, hatte die israelische Regierung das getan, was sie seit dem Sechstagekrieg vor 44 Jahren immer getan hat: ohne Rücksicht auf die Verhältnismäßigkeit der Mittel das durchzusetzen, was sie für die Interessen Israels hält.
Die Frage außer Acht lassend, ob ein gelegentlich auf dem Feld der Nahostpolitik dilettierender deutscher Journalist wirklich besser als die gewählte politische Führung in Israel um die Interessen des Landes wissen könnte, stellen wir fest, dass es für Augstein keinen Unterschied macht, wer gerade in Jerusalem die Richtlinien der Politik bestimmt. Da Bibi Netanyahu nicht seit dem Sechstagekrieg vor viereinhalb Jahrzehnten regiert, verhält sich „die israelische Regierung“ immer falsch, gleichgültig ob es sich um die Sozialdemokraten Eshkol, Meir und Rabin handelt, um die Likud-Premiers Begin und Shamir oder um die Ministerpräsidenten, die sich auf den verhängnisvollen „Friedensprozess“ von Oslo einließen und auch mit allerlei Zugeständnissen und Friedensplänen bei der Palästinenserführung – für deren Tun und Lassen Augstein sich selbstredend nicht die Bohne interessiert – auf Granit bissen, etwa Peres, Barak oder Olmert. Schön, dass der „im Zweifel Linke“, der, was Israel angeht, jedenfalls keinerlei Zweifel hegt, dies in bemerkenswerter Offenheit klargestellt hat.
Für alle SoE-Leser, die an lesenswerten Beiträgen zur Augstein-Debatte interessiert sind, seien hier einige verlinkt – etwa die von Malte Lehming im Tagesspiegel, von Stefanie Galla auf der Achse des Guten, von Liza, vom Lindwurm, von Stefan Gärtner in der Titanic und, last but not least, vom persönlich in den Fall involvierten Henryk M. Broder in der WELT.
Update: Auch dieser Text von Rainer Trampert und dieser von Bonde seien hier dringend zur Lektüre empfohlen.