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Archive for the ‘für die wir nichts kriegen’ Category

Einer der kürzesten Witze aller Zeiten geht so: „Geht ein SoE-Autor an einer Buchhandlung vorbei.“ Was mich betrifft, empfehle ich, wie vor Jahresfrist, gern zur Lektüre weiter, was mir im ablaufenden Jahr besonders lesenswert erschien. Dass es sich in erster Linie um (zeit-) historische Sachbücher handelt, schlägt sich in dieser Auswahl entsprechend nieder.

Richard J. Evans:
Das Dritte Reich

Monumentales zeitgeschichtliches Werk in drei voluminösen Bänden, exzellent strukturiert und geschrieben. Selbst wer sich schon eingehender mit dem Nationalsozialismus beschäftigt hat, wird hier noch auf interessante Fakten stoßen. Auf gut 3000 kleinbedruckten Seiten beschreibt der britische Historiker zunächst die Entwicklung bis zur Machtergreifung („Aufstieg“), dann die Friedensjahre von 1933 bis 1939, in denen der Krieg bereits vorbereitet wurde („Diktatur“), und schließlich den Zweiten Weltkrieg und die Shoah („Krieg“). Nichts für schwache Nerven. Schon für die komplette Taschenbuchausgabe sind 100 Euro hinzublättern, aber jeder Cent lohnt sich.

David Horovitz:
Still Life with Bombers

In seinem 2004 erschienenen Buch zeigt der Chefredakteur der Jerusalem Post sehr anschaulich, wie die Israelis mit der Terror-Intifada ab Herbst 2000 zu leben lernten und welchen Einfluss die beispiellose Welle der Gewalt auf ihre politischen Einstellungen hatte. Ein Must-Read für jeden, der sich zum Nahostkonflikt äußern zu müssen meint, jedoch – anders als der Dreck von Shlomo Sand, Norman Finkelstein und Moshe Zimmermann – leider nicht auf Deutsch erhältlich. Lektüre ist noch nicht abgeschlossen, eine ausführliche Rezension folgt demnächst auf diesem Blog.

Antony Beevor:
D-Day

Ein weiteres ausgezeichnetes Werk des englischen Militärhistorikers („Stalingrad“, „Berlin 1945“), das eindrucksvoll die Landung der Alliierten in der Normandie und die Kämpfe bis zur Befreiung von Paris schildert.

Benjamin von Stuckrad-Barre:
Auch Deutsche unter den Opfern

Sehr unterhaltsame Sammlung von klugen und ironischen Reportagen. Ob Stuckrad-Barre Politiker im Wahlkampf beobachtet oder Protagonisten der Kulturszene: Das ist Deutschland, alter Finne!

Robert Crowley:
Konstantinopel 1453. Die letzte Schlacht

Glänzende Darstellung zunächst der vergeblichen Versuche der Religion des Friedens, Byzanz zu erobern, bis zu Sultan Mehmets entschlossenerem Unternehmen, die von den Glaubensbrüdern im Stich gelassene christliche Bastion am Bosporus zu belagern und zu schleifen.

Heike Faller:
Wie ich einmal versuchte, reich zu werden

Launiger Bericht einer Journalistin: Während eines Sabbaticals versucht sie sich über die Mysterien der Finanzwelt schlau zu machen, die ihr bis dahin ein Buch mit sieben Siegeln waren. Wie funktioniert der Geldkreislauf, was passiert an der Börse, warum fällt der Goldpreis mal, warum steigt er? Unterhaltsam und lehrreich, vor allem, wenn man selbst von Wirtschaft keinen Schimmer hat.

David Landes:
Wohlstand und Armut der Nationen

„Warum die eine reich und die anderen arm sind“, heißt es im Untertitel, und das erklärt Landes überaus interessant: Eine Mischung aus geographischen (und klimatischen) Faktoren, historischen Entwicklungen und kulturellen Gepflogenheiten hat dazu geführt, dass es einigen Ländern bestens geht und andere einfach nicht in die Gänge kommen. Wirtschaftsgeschichte vom Feinsten.

Martin Block und Birgit Schulz:
Die Anwälte – Eine deutsche Geschichte

Was hatten Hans-Christian Ströbele, Horst Mahler und Otto Schily mal gemeinsam? Sie verteidigten RAF-Terroristen vor Gericht und pflegten ein zwiespältiges Verhältnis zur Bundesrepublik. Heute ist der erste ein grüner Besserwisser, der 21-jährige Berufsschüler vor McDonald´s bewahren muss, der zweite ein Nazi, der vor der Gefahr des Weltjudentums warnt und der dritte brachte es zwischenzeitlich zum Bundesminister des Inneren, der Selbstmordattentätern bescheinigte, wenn sie den Tod wollten, könnten sie ihn haben. Bizarre Lebenswege dreier Männer, die sich nichts mehr zu sagen haben.

Hamed Abdel-Samad:
Der Untergang der islamischen Welt: Eine Prognose

Kurz, knapp und einleuchtend fasst der deutsch-ägyptische Poitikwissenschaftler die Gründe zusammen, warum die islamischen Länder im Zustand der Rückständigkeit erstarrt sind. Mindestens ebenso lesenswert wie seine dramatisch ehrliche Autobiographie „Mein Abschied vom Himmel“.

John Kennedy Toole:
Ignaz oder Die Verschwörung der Idioten

Witziger Roman eines jungen Amerikaners aus den 60er-Jahren, den ich erstmals in einer Zeit las, als ich einen Heidenspaß an Sloterdijks „Kritik der zynischen Vernunft“ hatte: Die Geschichte eines hochgebildeten, aber komplett asozialen, stinkefaulen Nerds in New Orleans, der sich so lange von der Welt verfolgt fühlt, bis man tatsächlich hinter ihm her ist. Lese ich immer mal wieder, weils einfach saukomisch ist. Der Titel spielt auf ein Zitat von Jonathan Swift an: „Wenn ein wahres Genie in die Welt tritt, erkennt ihr es an den Idioten, die sich dagegen verschwören.“

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Allen Freunden dieses Blogs, die noch auf der Suche nach hübschen Geschenken sind oder sich selbst etwas Gutes gönnen möchten, seien einige Bücher empfohlen, die ich im zu Ende gehenden Jahr mit Gewinn gelesen habe:

Geert Mak: In Europa
Der niederländische Schriftsteller bereiste das ganze Jahr 1999 hindurch zahlreiche Orte, die mit der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts in Zusammenhang stehen – von Madrid bis Stalingrad / Wolgograd, von Riga bis Istanbul – und handelt so alle relevanten Ereignisse und Entwicklungen vom fin de siecle bis zum Zusammenbruch des Sowjetreiches und den Balkankriegen ab. Schließt auch für in der Zeitgeschichte Bewanderte noch diverse Bildungslücken und wartet außerdem mit allerlei Anekdoten auf. Informativ, voller persönlicher Geschichten (die gleichwohl für die Erfahrungen Vieler stehen) und glänzend geschrieben; da lässt sich auch der Nachteil verschmerzen, dass ein 10 Jahre altes Buch nicht mehr die heutige Realität in den bereisten Ländern abbildet.

Jan Fleischhauer: Unter Linken.
Von einem, der aus Versehen konservativ wurde

Ein kluges und angenehm unaufgeregt geschriebenes Buch; der Autor war nie Hardcore-Linker, der sich zum eifernden Renegaten entwickelt hätte, vielmehr geht er mit offenen Augen und Ohren durch die Welt und wundert sich, dass offensichtliche Irrtümer von so Vielen auch nach Jahrzehnten nicht erkannt werden – oder dass sich Gefühlslinke so bockig und wider besseres Wissen gegen gewisse Erkenntnisse sperren. Mit leichter Hand und Sinn für Ironie geschrieben, einfach ein schönes Buch.

Steven Pinker: Das unbeschriebene Blatt.
Die moderne Leugnung der menschlichen Natur

Sind wir bei der Geburt „unbeschriebene Blätter“, gewissermaßen zu 100 Prozent durch die Umwelt prägbar? Pinker legt auf beeindruckende Weise dar, dass dem nicht so ist, dass der Einfluss durch die Umwelt maßlos überschätzt wird, dass die Erbanlagen eine viel größere Rolle spielen, als man gemeinhin einzuräumen bereit ist (gilt vor allem für die bekennenden Träger ideologischer Scheuklappen). Inhaltlich und stilistisch ein Genuss, stellenweise sogar, bei aller Seriosität in der Sache, trocken witzig. Am Ende bleibt vor allem das Staunen über die Belesenheit, den Verstand und die Eloquenz des Autors.

Volker Seitz: Afrika wird armregiert
Warum Subsahara-Afrika auch nach jahrzehntelanger (leider verfehlter) Entwicklungshilfe bis auf wenige Ausnahmen nicht in die Gänge kommt, erklärt der Ex-Botschafter sehr deutlich. Das Hauptproblem liegt darin, dass die allermeisten Länder miserabel regiert werden, dass Machtgeilheit und Korruption all die Milliardenhilfen letztlich nur in den Taschen der falschen Leute landen lassen. Interessanterweise sieht Rupert Neudeck, der das Vorwort schrieb, das auch so. Nur in Palästina sieht er´s anders. Nun ja.

David Grossman: Eine Frau flieht vor einer Nachricht
Großer Roman. Als sein Sohn im Libanon fiel, so las ich später, sagte Grossman, der das Buch damals noch nicht fertig hatte, zu Amos Oz: „Ich weiß nicht, ob ich das Buch noch retten kann.“ Und Oz erwiderte: „Das Buch wird dich retten, David.“ Es ist ihm zu wünschen.

Ron Leshem: Wenn es ein Paradies gibt
Roman des jungen Journalisten Leshem, der recht drastisch beschreibt, wie eine Gruppe israelischer Soldaten kurz vor dem Abzug aus dem Südlibanon mit der absurden Situation umgeht, bis zum Tag X in einer alten Kreuzfahrerfestung als sitting ducks für die Hisbollah dienen zu müssen. Das Buch diente als Vorlage für den oscarnominierten Film „Beaufort“.

Pedro A. Sanjuan: Die UN-Gang
Altgedientes amerikanisches Schlachtross berichtet von seinen Erfahrungen im Generalsekretariat der Vereinten Nationen. Selbst für jemanden, der den UN so ziemlich alles zutraut, noch starker Tobak. Das Ausmaß an Inkompetenz, Selbstbedienungsmentalität, Schlendrian, krimineller Energie und krudem Antisemitismus schlägt, um eine Redewendung von Heinz Erhard zu gebrauchen, „dem Fass die Krone ins Gesicht“. Nach der Lektüre wundert einen gar nichts mehr.

Shalom Auslander: Eine Vorhaut klagt an
Eine der zurzeit beliebten „Coming-of-age“-Geschichten, allerdings mit einer doppelten Dosis zynischen Witzes angereichert: Auslander, der aus einem jüdisch-orthodoxen Elternhaus in New York stammt, pöbelt gegen naiv-religiöse Menschen, den Glauben an sich und Gott persönlich. Und hadert in selbem Maße mit sich selbst. Grandiose Tirade.

Giles Milton: Muskatnuss und Musketen.
Europas Wettlauf um Ostindien

Schade ist es nur um den Titel (im Original: Nathaniel´s Nutmeg. How One Man´s Courage Changed the Course of History), der der verbreiteten Neigung zum Alliterieren zum Opfer fiel, ansonsten ist Miltons Buch eine packende Erzählung vom Ringen der Niederländer und Briten um die Gewürzinseln, speziell den winzigen Archipel der Banda-Inseln im 16. und 17. Jahrhundert.

Daniel Gordis: Saving Israel.
How the Jewish People Can Win a War That May Never End

Da man hierzulande fast nur noch die ranzigen Ergüsse von Flottau, Neudeck, Grosser, Finkelstein, Hass und Konsorten verlegt, ist mit einer deutschen Ausgabe nicht zu rechnen. Kein Wunder, denn Gordis hält ein flammendes Plädoyer für die Wehrhaftigkeit des jüdischen Staates, der für die Zukunft des jüdischen Volkes unverzichtbar ist. Bei klarem Verstand und mit großem Herzen geschriebenes, ehrliches Buch, das tausend gute Gründe für den Zionismus benennt, ohne Illusionen, dafür aber mit viel Optimismus erklärt, warum es Israel geben muss und warum man sich guten Gewissens dafür einsetzen darf und muss. Gehört eigentlich jedem Deutschen auf den Nachttisch gelegt, jedoch – siehe oben.

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