Die ersten Helden, denen ich begegnete, waren die Protagonisten des Trojanischen Krieges. Jedenfalls nannte Gustav Schwab sie so, wie es mehr als 3000 Jahre vor ihm Homer in der Ilias getan hatte. Es waren allesamt Recken in glänzender Rüstung: Achilles und Patroklos (sein Geliebter, was ich als Kind natürlich nicht zwischen den Zeilen herauszulesen vermochte), der Königssohn Hektor, der große und der kleine Ajax. Es waren Männer, die man als Helden verehrte, weil sie kühn und stark waren und den Kampf nicht scheuten. Ob sie viel darüber nachdachten, wie sinnvoll ihr Tun war und wofür sie ihr Leben in die Waagschale warfen, darf bezweifelt werden. Damals jedenfalls wurde nicht danach gefragt. Auch vor 100 Jahren noch nicht. Da war ein Held, wer, wie die Kampfflieger von Richthofen oder Udet, Dutzende feindlicher Piloten vom Himmel geholt hatte.
Die Heldenverehrung ist aus der Mode gekommen, jedenfalls in Deutschland, wo man auf Typen wie die alten Fliegerasse nicht mehr stolz ist. Und das ist auch gut so. Nicht gut ist, dass auch wahre Heroen nicht mehr gewürdigt werden. „Pferde sind die Überlebenden der Helden“, spottet Peter Sloterdijk in seiner Kritik der zynischen Vernunft, und sicher trifft er mit seinem Sarkasmus die allgemeine Stimmung. Über die Amerikaner, die bis heute un-verschämt von Heldentum sprechen, wo es sich doch nur um Feuerwehrmänner im 9/11-Einsatz handelte, schüttelt man bestenfalls verständnislos den Kopf. Das Ideal ist heute der Antiheld, der Zweifler, der Zyniker und der Verlierer. Ihm gehören die Sympathien, während Haudegen und Macher als arme Irre bemitleidet werden.
Allein: Zuweilen gibt es Menschen, die Kopf und Kragen riskieren, um andere zu retten, wie die israelischen Eliteeinheiten 1976 in Entebbe. Oder um einen Tyrannen zu stürzen, wie die alliierten Invasionstruppen bei der Landung in der Normandie, ziemlich genau vor 65 Jahren. Oder um die Menschheit einen Schritt weiter nach vorn zu bringen, wie die Astronauten des Apollo-Programms 1968–1972.
Ja, auch das waren Helden. Denen bewusst war, dass sie vielleicht nicht wieder zur Erde zurückkehren würden von ihrer abenteuerlichen Mission. Und die nicht darauf warteten, dass es andere tun würden, sondern sich darum rissen, dabei zu sein. Großartige Kerle, die über Intelligenz, Tapferkeit, Humor, Menschlichkeit und, ja, auch eine gewisse Weisheit verfügen, und denen ein wenig Dankbarkeit nicht schaden könnte. Immerhin hat ihnen David Sington ein filmisches Denkmal gesetzt – mit der hinreißenden Dokumentation „Im Schatten des Mondes“.
Zehn der zwölf noch lebenden Apollo-Astronauten – der notorisch scheue Armstrong ist nicht darunter – erzählen vor Singtons Kamera, wie sie ihre Reise zum Mond (im Fall von Apollo 13 natürlich: die gescheiterte) erlebten und wie die Erfahrung auf sie wirkte. Und sie tun es so, dass man ihnen staunend und fasziniert zuhört und sich wünscht, die 95 Minuten mögen bitte, bitte nicht so schnell vorbei sein. Die Erzählungen der Astronauten, heute alle über 70 und 80 Jahre alt, digital aufbereitete Archivbilder, Musik, das war’s. 95 Minuten, die ohne hektische Schnitte, unheilschwangere Stimme aus dem Off und alberne „szenische Rekonstruktionen“ à la Guido Knopp auskommen. Arte wiederholt das Kleinod am Montag, dem 20. Juli um 21.00 Uhr. Vormerken, anschauen – Fernsehen ohne Reue.
Vielleicht lernt man wahres Heldentum so wieder ein wenig mehr zu schätzen.
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