Kaltblütiger als Jabr Duwait kann man ein Blutbad wohl kaum anrichten. Der 30 Jahre alte Familienvater aus Sur Bahir im Südosten Jerusalems zermalmte, wie ein Augenzeuge berichtete, „entschlossenenen Blickes“ mit seinem Bulldozer Autos samt Insassen, rammte einen vollbesetzten Bus und fuhr in eine Menschenmenge, bevor ihn ein junger Soldat endlich unschädlich machen konnte.
Ein klarer Fall, sollte man meinen. Jedenfalls sind deutsche Medien nicht zimperlich mit der raschen Verbreitung vermeintlicher Tatsachenbehauptungen, die sich hinterher als Fake herausstellen – das fängt mit al-Dura an, geht über Kana und hört mit dem „Massaker von Jenin“ noch lange nicht auf. Allerdings war es mal wieder ein Araber, der mit Vorsatz jüdische Zivilisten ermordete, da muss man mit dem bösen T-Wort ganz sparsam umgehen. Am besten, man macht es wie die ARD und titelt zwei Stunden nach dem Anschlag, als die Identität des Attentäters längst feststand, „Baufahrzeug rammt Bus – 4 Tote in Jerusalem, Täter unklar“, womit sich das Massaker in die Nähe eines tragischen Verkehrsunfalls rücken ließ. Noch abends um zehn war im ARD-Videotext von einem „Mann“ die Rede, bei dem es sich „vermutlich (!) um einen Palästinenser“ handelte.
Dem ZDF heute journal war der Anschlag im Nachrichtenüberblick glatt zehn Sekunden wert. Palästinenser tötet Israelis – das kommt lange nicht so gut wie umgekehrt und wird deshalb auch nie so formuliert. Und, wer weiß, vielleicht hatte der Mörder ja auch ein paar gute Gründe für seine Tat. Zuhier Hamdan etwa, ein Muchtar aus Sur Bahir, hat jedenfalls schon mal ein Gerücht parat, das Arendt & Co gefallen könnte: „There’s a rumor going on that some haredi students had thrown stones at him and cursed him at the construction site before the attack. Perhaps he was so angry that he decided to go on a rampage.“
Vielleicht. Vielleicht war er auch schon als Kind angefressen, weil er schwer beladene Schubkarren durch die Gassen der Altstadt schieben musste, während sein Vater mit anderen Männern im Café saß, Sheshbesh spielte und sich das Skrotum kratzte. Vieles ist möglich. Auch eine etwas andere Motivation allerdings, wenn man bedenkt, dass Duwait noch „Allahu akhbar!“ rief, bevor er das Gaspedal durchtrat.
Wie ist das denn eigentlich in Israel mit dem Waffenrecht? Wer darf alles eine Waffe tragen und wie gross darf diese sein?
@dagny: Wie das im allgemeinen ist, weiß ich nicht, aber Soldaten dürfen ihre Waffe (meistens ein M16-Sturmgewehr) auch außer Dienst tragen.
@dagny, noktavian
Soldaten duerfen ihre Waffe natuerlich NICHT tragen, wenn sie nicht im Dienst sind. Kommen sie oder gehen sie zum Dienst, duerfen sie ihre Waffe dabeihaben, der der kleine Chip, der, eingesetzt in die Waffe, diese gebrauchsfaehig macht, darf sich nicht in der Waffe befinden (sondern woanders am Koerper). Ausserdem darf die Waffe nicht geladen sein. Wenn Soldaten ihre Waffe zuhause haben, muss der Chip an einem sicheren Ort, insbesondere nicht in der Waffe oder neben der Waffe aufbewahrt werden. Gebrauch der Waffe ausserhalb des Dienstes wird bestraft (dafuer gibt’s auch schoene Beispiele). Alles klar?
Es ist wie anderswo üblich: Soldaten und Sicherheitsorgane haben ihre Waffen , sonstige Zivilisten müssen eine Lizenz zum Waffentragen haben. Angesichts der Sicherheitslage in
Jerusalem gibt es dort sicherlich mehr Bewaffnete als etwa in Tel-Aviv.
Wunderbar auch wieder die Kommentare in der SZ, wo der sofortige Waffeneinsatz eines Israelis kritisiert wurde bzw. ein ansich unpolitischer Amoklauf in Israel gleich ein Terroranschlag ist. Die Schlagzeile hätte lauten müssen „Israelischer Soldat erschiesst palästinensischen Bauarbeiter“.
@3
Ein Chip im M16? Kannst Du das genauer erläutern?
Jerusalem terrorist’s ex-girlfriend says he ‚liked Jews‘. Kranke Welt.
Die BBC titelte zuerst sogar, dass ein israelischer Bulldozerfahrer erschossen worden wäre.
HonestReporting hat sich die ursprüngliche Meldung gekrallt:
Israel Bulldozer Driver Shot dead
Die Meldung existiert jetzt nicht mehr.
Wir haben sie aber archiviert:
http://www.honestreporting.com/articles/45884734/critiques/new/Caught_BBCs_Shocking_First_Response_to_Terror_Attack.asp
Verrückt ist auch, das es bei Ulrike Putz ein „Radlader“ war, der für diesen Wahnsinn benutzt wurde, während die Israelis selbstverständlich „Bulldozer“ benutzen, um Häuser der Familien von „mutmaßlichen Attentätern“ einzureißen.
[…] a reaction I saw a lot was exactly the one that had already outraged Spirit of Entebbe’s Claudioreporting about ARD (a major German public TV station) covering the incident: Two hours after the attack, when the […]
Mir fällt in der Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen auch häufiger mal auf, dass bei einem Bericht über die Israelis immer mal wieder der Begriff „Besatzer“ oder „Besetzung“ fällt, während bei den Palästinensern in ebensolcher Häufigkeit Worte wie „Flüchtling“ oder „Widerstandskämpfer“ fallen. Auch eine Art, Stellung zu beziehen …
Dann empfehle ich, wie immer: TAZ lesen. Die einzige Zeitung, die obgleich sie auch eine Schere hat (ist aber eher eine Bastelschere im Vergleich zu anderen), in dieser Hinsicht kein Blatt vor den Mund nimmt – siehe die Ausgabe vom 3.7.
@ Rowlf (#6): Chip=Magazin
@ Leeza (#9): Es handelt sich rein technisch um einen Radlader (den 90% sowieso nicht von einem Bulldozer zu unterscheiden wüssten). Wenn Leute auf dieser Bezeichnung beharren, die sonst eher eine originelle Terminologie pflegen, hat’s natürlich ein Geschmäckle.
@DF: Danke – hatte ich auch schon überlegt. Aber dann wäre „Clip“ wohl doch das passendere Wort gewesen. Und: Magazine von M-16 und Co sind wirklich nicht klein.
Ich habe es nochmal gelesen. Der Chip liest sich wie eine dieser Urban legends, die in jedem Land über Militär, Wehrzeug etc. existieren.