Wenn Diplomatie die Kunst ist, mit dem Fuß aufzustampfen, ohne jemandem auf die Zehen zu treten, muss Vizeaußenminister Danny Ayalon irgendwas missverstanden haben, sonst hätte er dem türkischen Botschafter Ahmed Oguz Celikkol etwas diskreter zu verstehen gegeben, dass Israel sich antisemitische Vorfälle grundsätzlich verbittet. Vordergründig ging es um die türkische Fernsehserie „Tal der Wölfe“, in der Mossad-Agenten türkische Babys kidnappen und auf alte Männer schießen, tatsächlich aber wohl um die seit einiger Zeit Besorgnis erregende Politik Ankaras, sich von der strategischen Allianz mit Jerusalem abzuwenden und den Schulterschluss mit Syrien und dem Iran zu suchen.
Den türkischen Gesandten dafür auf den Topf zu setzen, dazu hat Israel jedes Recht, wenngleich dies nicht notwendigerweise mit schlechtem Benehmen einhergehen muss. Insofern ist es in Ordnung, wenn Israel, wie geschehen, für die unhöfliche Behandlung Celikkols um Entschuldigung bittet.
Belastet dieser Vorfall die israelisch-türkischen Beziehungen? Das mag sein. Deutlich belastender sind gleichwohl gewisse Aussagen des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan, der sich ehrverletzende und antisemitische Ungeheuerlichkeiten bereits im Dutzend geleistet hat. So behauptete Erdogan unter anderem während des Gaza-Feldzugs, Israel greife gezielt Zivilisten an, der Kampf gegen die Hamas sei nur ein Vorwand. Er unterstellte Israel „Staatsterrorismus“ („Bedauerlicherweise behandeln die Israelis die Palästinenser so, wie sie selbst vor 500 Jahren behandelt wurden“), plädierte für den Rauswurf des jüdischen Staates aus den Vereinten Nationen, warf dem Land „Barbarei“ und „unmenschliche Taten“ vor, mit denen Israel „seine Selbstzerstörung herbeiführen“ werde und brüskierte Präsident Shimon Peres in Davos mit der Behauptung, Israel töte kleine Kinder, die an den Stränden spielten:
Wenn es ans Töten geht, wisst Ihr sehr gut, wie man Menschen tötet.
Auf die fällige Entschuldigung aus Ankara warten wir bis heute.
Einerseits ist es natürlich schade und ärgerlich, dass Israel auf Grund eines begangenen Fehlers in die Kritik gerät, während die Türkei plötzlich als Opfer dasteht. Andererseits zeigt das eben einmal mehr, dass mit zweierlei Maß gemessen wird. Clemens Verenkotte etwa wirkte so, als würde er am Liebsten durch den Bildschirm springen. Und so, nebenbei gesagt, als gäbe es keine ernsten Probleme auf der Welt – und insbesondere bezüglich der Türkei.
Und die Kommentare der Leser zu diesem Bericht sind wirklich selbstredend.
Sie haben wieder eine Gelegenheit bekommen sich zu empören:
http://meta.tagesschau.de/id/31912/israel-brueskiert-gezielt-tuerkischen-botschafter
Wenn es sich um einen Konflikt zwischen dem Libanon und der Türkei handeln würde, hätte sich keine Sau deswegen besonders aufgeregt. Aber hier geht es wieder um diese so pöse Israelis. Da muss jeder Bekloppter und Bescheuerter seinen Senf abgeben.
Anscheinend saugen viele die gewissen Ressentiments schon mit der Muttermilch.
„Auf die fällige Entschuldigung aus Ankara warten wir bis heute.“
mmh. ich glaube nicht, dass sich die tuerkei bei spiritofentebbe entschuldigen wird.
ich frage mich heute noch, warum bibi liebermann und ayalon ausgerechnet das aussenministerium ueberliess.
ganz egal was man von liebermann und ayalon denkt, als ihre grobschlaechtigkeit ist fuers aussenminister jdfs nicht erste sahne.
Na ja, das war ein sooo peinliches Eigentor, der Typ muss echt voll bescheuert sein. Der Türke, der das als Profidiplomat über sich ergehen lassen musste tut mir leid.
Hätte Liebermann Erdogan bei Gelegenheit eine in die Fresse gehauen, wäre das zwar auch ein großer Skandal gewesen, aber ich hätte es verstanden und eine gewisse Genugtuung empfunden. Aber das war ja wohl nur peinlich. Wer so wenig Fingerspitzengefühl hat und so wenig merkt, wenn er sich und sein Land lächerlich macht sollte dringen von diesem Posten entfernt werden.
Kein wunder dass die „kritischen Freunde“ und die „nichtfreundlichen Kritiker“ da draufstürzen.
Tut ja unsereinem weh – oder?
es ist schlichtweg zum verzweifeln
😦
Nun Charly, im Prinzip schon Richtig… aber die Sache hat ja eine Vorgeschichte – nicht nur die Annäherung „der Türkei“ an Syrien und Iran (wo blieb da der Aufschrei der internationalen Öffentlichkeit?) sondern auch eine hochrangige internationale Veranstaltung in der Türkei, bei der ausgerechnet die israelische Flagge „zufällig“ nicht zu sehen war, weder vor dem Gebäude noch auf den Tischen im Veranstaltungsraum… wo blieb da der Aufschrei der Journalisten?
(Hat jemand noch den Link dazu?)
Willow, die Vorgeschichte wird schon immer unterschlagen wenn irgendwelche Mordbuben zur Strecke gebracht werden. Wie will man da erwarten, dass die bei einer derartigen Peinlichkeit entsprechend gewürdigt wird.
Ich verstehe den Grund und die Zusammenhänge sehr wohl, aber Ayalon hat letztendlich leider nicht nur sich selbst, sondern eben auch Israel total lächerlich gemacht.
Diese Inszenierung war einfach nur blöd.
Und noch am selben Tag erst Besserung gelobt und dann sich entschuldigt.
Ich denke Israel muss sich der Realität stellen, dass es sich von der Türkei verabschieden muss. Auf erdogansche Entgleisungen und antisemitische Propaganda sollen sie ruhig herzhaft reagieren, aber eben mit Hirn und Einigkeit innerhalb der Regierung.
…passt mal wieder ins Bild,
erinnert sei auch ans Erdogan’s Bewertung der Schweizer Volksabstimmung bzgl. des Neubaus von Minaretten als Ausdruck einer „zunehmenden rassistischen und faschistischen Haltung in Europa“. (http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,664551,00.html )
Wenn die Türkei nicht so gross und (strategisch, zumal als NATO-Mitglied) wichtig wäre, könnte man hier nur lachen über soviel Heuchelei….
@Tobias:
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt George Friedman von Stratfor. Sein Fazit:
Allerdings vernachlässigt Friedman in seiner Analyse m.E., dass die Türkei sich in der letzten Zeit ja durchaus bewusst vom Westen abgewandt und der iranisch-syrischen Achse zugewandt hat.
Wie wurde Erdogan in der Türkei gefeiert, als er wegen Israel entrüstet vom internationalen Treffen in Davos davonstürmte: Erdogan Fatihi (Erdogan der Eroberer).
Türkische Weltsicht eben.
Ich fürchte, Israel unterlag bezüglich der Türkei, wenn auch aus verständlichen geostrategischen Gründen, lange Zeit einer Fehleinschätzungen.
Ähnlich wie ehemals beim Iran unter dem Shah.