Freidenker, so sollte man meinen, müssten im Sinne Kants den Ausgang aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit längst gefunden haben. Weit gefehlt – jedenfalls wenn von den Funktionären des Deutschen Freidenker-Verbandes die Rede ist und von ihrer Positionierung im Lieblingskonflikt der Deutschen. Kürzlich haben sie einen offenen Brief unterzeichnet, der mit unabhängigem Denken so viel zu tun hat wie Erhard Arendt mit der Gesellschaft für deutsche Sprache, und sich an die Teilnehmer des „Israel-Kongresses“ in Frankfúrt/Main wendet. Denen wird „blinde, kritiklose und undifferenzierte Solidarität“ mit einem Staat vorgeworfen, der für die offenen Auges, kritisch und differenziert argumentierenden Freidenker ein „Apartheidsystem“ und ein „Unrechtssystem“ darstellt, das „rassistische Gesetze verabschiedet“, ein „radikales und brutales Israel“, das den Gaza-Streifen – you name it – zum „größten Freiluftgefängnis der Welt“ gemacht hat.
Wie dem Aufruf zu entnehmen ist, glauben die Freidenker auch, dass Israel mit seiner Sperranlage nicht etwa Selbstmordattentäter fernhält, sondern „jeglichen Friedensgedanken hinter Mauern sperrt“. Kein Wort vom jahrzehntelangen Terror, kein Wort darüber, wie es zur Besetzung von Gebieten kam oder dass und warum manche von diesen geräumt wurden, kein Wort über den „Friedensprozess“, für den von palästinensischer Seite nichts getan wurde und nichts getan wird – es genügt, hinter der Mauer „Friedensgedanken“ zu vermuten, dann ist alles gut.
Solidarität, empfehlen unsere Freidenker in dem offenen Brief, verdienen lediglich jene Israelis, die eine heute verschwindend kleine, weil aus tragischen Gründen geschrumpfte Minderheit darstellen: Wehrdienstverweigerer, linksgewirkte Künstler, Aktivisten, die sich vor den palästinensischen Propagandakarren spannen lassen. Die guten Juden also. Und die Araber natürlich, deren Verhalten vorbildlich ist, die niemals Anlass zur Besorgnis wegen ihrer Staatstreue gegeben haben und die ohnehin nur Opfer sind, „Repressalien und rassistischen Gesetzen unterworfen“. Und wer wäre geeigneter, dem Judenstaat die Leviten zu lesen, als gerade wir Deutsche, fußt unser Land doch auf „demokratischen, menschenachtenden Regeln“.
Anders als Israel natürlich, das von „ultrarechten Politikern geführt wird“, die sich einen Teufel darum scheren, was in Bad Boll und Malsburg-Marzell unablässig gepredigt wird. Dass dieses „offizielle Israel“ keine, wie etwa in arabischen Staaten üblich, Könige, Scheichs, Terrorchefs oder durch Erbfolge ins Amt gelangte Diktatoren an der Spitze hat, sondern seit dem Tag seiner Gründung eine offene und weit pluralistischere Demokratie ist als es sich die Freidenker vorstellen können – geschenkt. Warum sollten wir die Mehrheitsmeinung der Israelis akzeptieren, die zu Millionen zur Wahl gingen und heute von einer Großen Koalition regiert werden, wenn es ein paar Hundert, vielleicht sogar ein paar Tausend gibt, die, ganz differenziert, alle Schuld am Konflikt dem eigenen Land zuweisen?
Ach, Genossinnen und Genossen, wie beruhigend, dass nicht Ihr darüber entscheidet, was gut und richtig ist! „Freidenker“, die papageienartig jeden Stuss und jede ranzige Propagandaphrase der erklärten Feinde des jüdischen Staates nachplappern, die keine Ahnung von der Genese des Konflikts haben, die großzügig darüber hinwegsehen, was die andere Konfliktpartei in Wort und Tat beizutragen pflegt, solche Freidenker braucht Deutschland so dringend wie die Karibikstaaten den nächsten tropischen Wirbelsturm. Ihr solidarisiert Euch mit arabischen Gewaltregimen, und die einzigen Israelis, denen Eure Solidarität zuteil wird, sind eine Handvoll, die mit den vielen Juden um sich herum nichts anfangen können. Klar, das haben sie mit Euch gemeinsam. Wie auf Eurer Website zu lesen ist, wollt Ihr auch „Kriegstreiber stoppen“, die Ahmadinedschad beim Versuch, Atomwaffen zwecks Vernichtung Israels zu produzieren, in den Arm fallen könnten. Wahrlich ein Statement, das Euer Bekenntnis zu ethischen Grundsätzen eindrucksvoll unterstreicht! Entweder Ihr nehmt den Holocaustleugner und Möchtegernendlöser nicht ernst (was gerade Ihr als Deutsche vielleicht nicht tun solltet) oder Ihr nehmt in Kauf, dass er keinen Unterschied zu machen gedenkt zwischen Eurem „offiziellen Israel“ der Millionen und Euren guten Juden der Hunderte. Ein bisschen Schwund ist ja immer, und Märtyrertum schätzt der Mitteleuropäer bestenfalls dann, wenn jemand anders das Opfer bringt. Feine Humanisten seid Ihr, das muss man schon sagen.
Wisst Ihr was? Euer heuchlerischer Aufruf ist nichts weiter als ein besonders wirksames Emetikum. Rezeptfrei erhältlich, immerhin. Aber, nun ja: zum Kotzen.
Bereits im Februar bekannte der Vorsitzende der „Freidenker“ Klaus Hartmann: „Hingegen werden Sie von mir kein Bekenntnis zum “Existenzrecht Israels”, was angeblich “deutsche Staatsraison” sei, zu hören bekommen“ und schloss den „frommen Wunsch“ an: “Möge Allah alle Entrechteten und Unterdrückten Völker aus den Händen der Imperialisten und Besatzer befreien – Möge Allah das besetzte Palästina aus den Händen der Zionisten befreien.”
http://www.freidenker.org/cms/dfv/index.php?option=com_content&view=article&id=213:fuer-frieden-und-demokratie-freidenker-und-muslime&catid=1:latest-news&Itemid=27
Das ist echt hart, Mann!
Puh…
Ich interessiere mich seit einiger Zeit für Vereinigungen Konfessionsloser, weil ich dafür Bedarf und darin großes Potential vermute. Auf meiner Liste lohnenswerter Organisationen waren auch die Freidenker, u. a. wegen ihrer Ansichten zu weltlicher Trauerkultur.
Nun ja, jetzt und nach Rolf Raffs Kommentar weiß ich, welcher Verband für mich ausscheidet…
Wer im Deutschland des Jahres 2010 glaubt, als sog. „Freidenker“ eine Avantgardestellung innezuhaben, ist eh bekloppt.
„Freidenkertum“ war 1780 Avantgarde; so wie Widerstand gegen Hitler im Deutschen Reich des Jahres 1939 mutig war.
Aber es gibt ja auch Menschen, die im Deutschland des Jahres 2010 nachgeholten Widerstand gegen das Hitler-Regime leisten und sich für tapfere Dissidenten halten.
Die Wahrheit ist jedoch: die hier als „Deutscher Freidenker Verband“ auftreten, sind nichts anderes als erzreaktionäre, linksradikale Sozialisten mit einem irreführenden Etikett.
Hätte die „Wehrsportgruppe Hoffmann“ sich „Deutscher Verband für Aufklärung und Humanismus“ genannt, sie wäre immer noch die Wehrsportgruppe Hoffmann gewesen.
Was gerade in Deutschland wieder gehört und geschrieben werden darf, ist wahrlich erschreckend!
Auf der anderen Seite: wenn man so sieht, wer da gewisse „Petitionen“ unterschreibt, auch wieder nicht verwunderlich. Kostproben gefällig?
Erhard Arendt
Rüdiger Göbel (der Familienname klingt ja schon ganz verdächtig nah an dem eines Joseph von „damals“)
Evelyn Hecht-Galinski
Claudia Karas – Palästina-Forum-Nahost (was es nicht alles gibt!)
Christine Buchholz MdB, Friedenspolitische Sprecherin, DIE LINKE (kicher)
Ellen Rohlfs
Norman Paech – „Völkerrechtler“/Free Gaza Movement (noch mehrkicher)
Sahra Wagenknecht
Andreas Grünwaldt – Solidarität International (ISM wahrscheinlich)
Eigentlich die immerwährend unappetitliche Fraktion derer, die sich eben nicht dem Auftrag stellen, aus der Geschichte und gerade der deutschen Geschichte zu lernen. Vielleicht geht das auch nicht, wenn ich die Freidenker wohl richtiger als frei von Denken interpretiere.
Nimmt man z. B. nur diesen Satz der „Freidenker“ :
„Solidarisieren Sie sich mit der palästinensischen Minderheit in Israel, die seit der Gründung des Staates
Repressalien und rassistischen Gesetzen unterworfen ist?“
heraus, so müßten sich die klugen Leute fragen, weshalb diese Palästinenser (mit israel. Pass) Israel nicht fluchtartig verlassen und vielleicht nach „Hamastan“ überwechseln. Da wären sie nämlich schön dumm, denn nirgends geht es diesen Palästinensern so gut wie in Israel.
Margot
besser kann man das Brechmittel namens „Israelkritiker“ nicht beschreiben…
Es gibt ein Land in Europa, wo die Bescheuerten und Bekloppten sogar auf dem Stein wachsen. Dennoch fühlen sie sich den anderen Völkern überlegen. Vor allem den Israelis und den Amis. Und vom Jahr zu Jahr wird diese Massenhysterie schlimmer. Massemorden im Sudan und in Kongo? Geschenkt! 100 Tausend Tote in Tschetschenien? Unwichtig. Aber wegen Gitmo und Gaza in Wallung zu kommen – ja das können die Bescheuerten und Bekloppten am besten. Haben die was in den Genen? Diese Bescheuerten und Bekloppten?
Gibts eigentlich noch geschlossene Briefe? Die Zahl offener Briefe hat für meinen Geschmack endemische Ausmaße angenommen.
Wozu eigentlich noch ein Briefgeheimnis, wenn heutzutage jeder Trottel offene Briefe schreibt?
Claudia Casula, sie hätten auf den Veranstaltungshinweis zu Sabine Schiffer auf der Homepage erwähnen sollen.
Da wächst zusammen, was zusammen gehört.
Dabei wäre das ja durchaus therapierbar: Ein, zwei Jahre als bekennender »Freidenker« nach Nordkorea, und die Überlebenden dann hinterher noch mal fragen, was denn nun das »größte Freiluftgefängnis der Welt« sei. Aber die Kasse zahlt das meines Wissens nicht, obwohl die Verpflegungskosten im Vergleich zu einer stationären Therapie in Deutschland vergleichsweise niedrig wären.
Habe mir gerade mal die Internetseite dieser Knallchargen angeschaut: Auch jenseits des Antisem… hoppla, der Israelkritik geht es da recht schaurig zu – z.B. „Jugendweihe“. Au weia. Die sollten sich besser in „Tyranneidenker“ umbenennen. Obwohl, „Denker“ passt ja genaugenommen auch nicht.
Warum sollten Freidenker aus der Reihe tanzen? Nur weil sie sich Freidenker nennen?
Tja, in Deutschland sollte man sich immer das Gegenteil von dem denken, was auf dem Etikett steht:
Freidenker = Gruppe totalitärer Linksspießer
Verband der Freidenker – ohnehin die Quadratur des Kreises.
Erinnert mich an Umberto Ecos Aztekische Reitkunst oder Phonetik des Stummfilms (aus: Pendel des Foucault).
Müssen diese Terroristenfreunde eigentlich jeden Begriff besetzen? Reicht es nicht, dass man den Begriff Frieden inzwischen fast zwangsläufig mit Demokratiefeindlichkeit und Terrornähe verbindet?