Dass auch die Bundeswehr nicht die Heilsarmee ist, weiß man eigentlich schon länger. Mir jedenfalls ist der durchaus raue Umgangston auf dem Kasernenhof und im Standortübungsgelände auch nach mehr als zwei Jahrzehnten noch in Erinnerung: „Zimmer gibt’s im Puff, hier heißt das Stuben!“ – „Haben Sie Schamhaare im Gesicht? Rasieren!“ – „Abstand zum Vordermann genau 80 Zentimeter! 81 ist Fahnenflucht, 79 ist schwul!“
Nein, es war keine schöne Zeit, auch wenn man fürs Leben lernte. Die Kameraden genannten Schicksalsgenossen kamen aus so ziemlich allen Gesellschaftsschichten, die Verpflegung spottete jeder Beschreibung, und mit dem G3 konnte man sogar um die Ecke schießen. Vom Dienst als solchen und insbesondere von den charakterlichen Defiziten namentlich der Unteroffiziersdienstgrade wollen wir an dieser Stelle schweigen. Letztere machten einem den ohnehin nicht angenehmen Soldatenalltag nicht gerade leichter und sorgten für reichen Gesprächsstoff am Wochenende, wenn man für zwei Tage der militärischen Parallelwelt entfloh und den staunenden Zivilisten vom Leben beim „Bund“ erzählte. Allein: Uns Wehrpflichtigen war von vornherein klar, dass man eben nicht mehr bei Muttern war und dass man sich in einem bis dato unbekannten Umfeld behaupten musste. Auch die damals 15 Monate gingen schließlich irgendwie herum, und man war um einige – auch unschöne – Erfahrungen reicher.
Die Wehrpflicht ist nunmehr Vergangenheit, die Bundeswehr setzt auf Freiwillige, und das könnte sie schon jetzt reuen. Laut Medienberichten hat die Spaßjugend nämlich ihre liebe Not mit dem Kasernenalltag. Einer der ersten, die das Handtuch warfen, war bei Dienstantritt noch von Verteidigungsminister de Maizière persönlich mit Handschlag begrüßt worden. „Das bietet mir hier zu wenig geistige Herausforderung“ meinte Jan-Piet Jaschinski (19), als wäre ausgerechnet die Bundeswehr als Hort der intellektuellen Anregungen bekannt. Er habe viele Abläufe und Regeln im Leben als Rekrut in der Kaserne einfach nicht verstanden, und er beklagte, beim Bund werde man allein nach seinem Dienstgrad beurteilt und nicht nach dem, was man im Leben schon geleistet habe. Ohne uns mit der Frage aufzuhalten, was ein 19-jähriger Abiturient schon alles im Leben geleistet haben könnte: Ja, das ist so in der Armee. Das Jungvolk allerdings, das inzwischen in der Schule schon nicht mehr sitzen bleiben darf, weil „das eine überholte pädagogische Maßnahme (ist), die das Selbstwertgefühl der Schüler beschädigt“ (so GEW-Vertreter Hartmut Schurig), das bei schlechten Noten schon mal Mama und Papa einen Rechtsanwalt einschalten lässt und auch sonst gern vor allen Widrigkeiten des Lebens abgeschottet wird, kommt damit nicht klar und quittiert prompt den Dienst. Auch das wird der Generation Doof leicht gemacht: In der sechsmonatigen Probezeit kann der Soldat sein Dienstverhältnis innerhalb von 24 Stunden ohne Angabe von Gründen kündigen, und davon macht er gerade reichlich Gebrauch. Allein im Lazarettregiment 11 in Seeth, so war zu lesen, haben von 71 Freiwilligen in den ersten Tagen (!) bereits neun die Kaserne wieder verlassen. Bei der 1. Panzerdivision in Hannover hätten in den ersten drei Wochen 14 Prozent der Freiwilligen gekündigt. Zu wenig Action vielleicht, oder sie wurden gedisst, wer weiß es. Geht natürlich gar nicht. Allen Kandidaten, so Militärabbrecher Jaschinski, könne er nur empfehlen: „Schaut euch das mal einen Tag an, bevor ihr euch entscheidet.“ Schnupperkurs in der Kaserne gewissermaßen, lol, rofl.
18 Jahre lang gepampert, von Muttis Eingreifen während des Streits im Sandkasten bis zum Abi für alle, wird von einem Großteil des Nachwuchses jede Anstrengung und jede Regel als Zumutung empfunden. Einer seiner Freiwilligenkameraden, so ein Soldat, „kündigte, weil er nicht rauchen durfte…, ein anderer bekam rote Striemen, nachdem wir die schwere Ausrüstung in die Stube getragen hatten.“ Und Frühstück ans Bett gab’s auch nicht.
Für die jungen Bundeswehrsoldaten, die am Hindukusch mehr als ein paar rote Striemen auf sich nehmen, muss das wie Hohn klingen. Jan-Piet Jaschinski, der es auch “gern länger ausprobiert hätte“, wozu letztlich aber „der Reiz gefehlt“ habe, und der froh ist, rechtzeitig einen Rückzieher gemacht zu haben, will übrigens jetzt studieren und bis zum Semesterbeginn bei seinem Bruder im Hochseilgarten arbeiten. Passt.
Wirklich, wirklich schlimm, wenn die Wehrkraft so zersetzt wird…da sehnt man sich doch glatt nach Preußen zurück!
Es gibt bestimmt noch etwas zwischen preußischem Militarismus und „Wehrkraftzersetzung“. Was nervt, ist die Unfähigkeit bzw. der Unwille, sich auch einer unangenehmen Herausforderung einfach mal zu stellen und eine Weile die Zähne zusammenzubeißen. Das Leben ist kein Ponyhof.
Aber warum sollte sich denn irgend jemand freiwillig einer vollkommen unnoetigen unangenehmen erfahrung stellen wollen? das waere doch nur eiskalt daemlich ^^ was ich beunruhigender finde ist dieser totale mangel an weitsicht, bevor sich diese wuerstchen freiwillig melden. und noch schlimmer ist die aussicht, dass unsere armee jetzt noch weiter richtung unterschichten-truppe abgleiten wird. awesome.
Andererseits: Mit Jüngelchen, die schon vom Tragen eines Seesacks so bedient sind, dass sie kündigen, möchte man im Ernstfall nicht kämpfen müssen.
Was die freiwillige Erfahrung betrifft: Klar muss man die nicht machen, aber wenn man sich schon freiwillig meldet, sollte man ein bisschen länger durchhalten als ein paar Tage. Dass Mamas Liebling so schnell die Flinte ins Korn wirft, lässt auch fürs Engagement im Zivilleben nichts Gutes ahnen. Weniger zart besaitete Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt, etwa aus Ostasien, dürfte sich ob dieses westlichen Weicheiertums ins Fäustchen lachen.
„Auch das wird der Generation Doof leicht gemacht: In der sechsmonatigen Probezeit kann der Soldat sein Dienstverhältnis innerhalb von 24 Stunden ohne Angabe von Gründen kündigen, und davon macht er gerade reichlich Gebrauch.“
Ja, echt blöd. Aber wenn man mal Opfer einer Probezeit-Kündigung seitens des Arbeitgebers geworden ist, sieht man die Sache dann doch etwas anders,
zB dann, wenn man wegen des Umzugs erhebliche Kosten hatte, einen teuren Makler für die neue Wohnung einschalten musste; und wenn man dann trotzdem nach 2 Monaten wieder auf der Straße sitzt und auf staatliche Hilfe angewiesen ist und einen dafür von den üblichen Verdächtigen wie Merz, Wulff und leider auch Casula direkt Vollkaskomentalität, Weicheier- und Schmarotzertum unterstellt wird.
Wer schon nach zwei Wochen weiß, dass die Bundeswehr nicht das Richtige für ihn ist, der sollte auch wieder verschwinden. Das bringt keiner Seite etwas, wenn solche Leute bleiben.
Und der Hinweis auf die Ostasiaten ist auch peinlich. Aber in Europa arbeitet man ja schon an der flächendeckenden Verarmung ganzer Schichten, so dass das Eintreten in die Armee demnächst für Arme wieder eine reelle Option wird, um dem Elend zu entkommen. Das klappt ja auch in Amerika, wo man die Armen in Elendsstädten wie Flint für die Armee anwirbt, wo sie dann das Gesellschaftssystem verteidigen dürfen, dass für ihre Armut verantwortlich ist.
Und wenn der Ostasiate zu teuer wird, weil er selber wie jeder Europäer ein gutes Leben möchte, dann droht man eben mit dem Südostasiaten und Südasiaten. Irgendwo in Indien, Pakistan , Kambodscha oder Vietnam gibt es bestimmt noch Leute, die noch verzweifelter sind als die chinesischen Wanderarbeiter. Dann beutet man eben die aus.
Keine Unterstellungen, bitte! Dankend abwinkende Möchtegern-Soldaten und arbeitswillige Leute werfe ich bestimmt nicht in einen Topf. Weiß auch gar nicht, wie man das aus dem Text herauslesen könnte. Mir ist schon bewusst, dass unsere Gesellschaft bzw. der Kapitalismus seine Schattenseiten hat, und dass nicht selten auch Menschen unter die Räder kommen, die besseres verdient hätten. Das ist aber ein anderes Thema.
Dein Name ist Lebowski, Lebowski!
Und deine Frau heißt Bunny …
Das Problem ist doch von Seiten der Bundeswehr astrein hausgemacht.
Wer für den Beruf Soldat Werbung macht mit „12 Jahre gutes Gehalt und sicherer Job“ zieht eben nunmal genau solche Leute an.
Alles hängt von der Motivation ab! Der Deutsche wird im Normalfall kein Spargelstecher wei es ihm die Motivation feht. Der Ukrainer oder Moldawier wird mit zusammengebissen Zähnen den Job machen, weil er die Kohle unbedingt braucht und die ist im wichtiger als sein Unidiplom.
In meinen jungen Jahren habe ich in den Baumschulen des Oesterreichs und Deutschland geackert weil ich wusste was ich mit dem Geld in Polen alles machen kann. Mit mir haben Serben, Slovenen, Kroaten wie Roboter gemalocht ohne nur einen Tag zu schwänzen (jede Stunde war mit 11 DM honoriert).
Die Einheimischen haben sich nur als Vorarbeiter einstellen lassen. Sie hatten keine Motivation sich als einfache Arbeiter von 7 bis 17 auf dem Feld zu bucken. Ich habe meine Arbeit gehasst, aber ich hatte mit jeder Stunde 11 DM mehr auf meinem Lohnzettel. Und das war meine Motivation. Hätte ich nicht geackert, hatte ich NIX!
Welche Motivation haben die Rekruten die in die Bundeswehr freiwillig gehen? Sie können immer noch in die soziale Hängematte zurück. Sie verhungern nicht. Es fehlt ihnen die Motivation. Vom Patriotismus ganz zu schweigen. Patriotismus ist in Deutschland schon längst verpönnt und gehört in die braune, rechtsextreme Ecke. Der Deutsche ist ein Kosmopolit geworden. Für sein Land hat er kein Lust zu leiden.