Seit sich vor etwa zweieinhalb Jahrtausenden Hamans Schicksal erfüllte (ein Ereignis, von dem Ephraim Kishon einst sagte, es sei das erste Mal gewesen, dass ein Antisemit aufgehängt wurde, bevor es zum Pogrom kam), haben die Antisemiten dieser Welt nichts dazugelernt: Man kann die Juden wohl unterdrücken und versklaven, ihnen Extra-Steuern auferlegen, sie aus der Gesellschaft ausschließen, sie deportieren oder ermorden – aber letztlich steht der Sensenmann vor des Antisemiten Tür, während das jenem so verhasste Volk noch immer da ist.
Auch Hitler und Himmler, Eichmann und Hadj Amin el-Husseini sind längst tot, und in den vergangenen Jahren gesellten sich etliche Brüder im Ungeiste zu ihnen: Arafat, Sheich Yassin, Saddam Hussein. Und nun hat auch Muammar al-Gaddafi ein unschönes Ende genommen. Dabei, so ist im Wikipedia-Eintrag festgehalten, war auch sein „erklärtes Ziel (…) die vollständige Vernichtung des Judenstaates”.
Mission not accomplished!, muss sich der Irre von Tripolis nun nachrufen lassen. Dabei hatte er sich doch wirklich bemüht:
Mit der Machtübernahme Gaddafis 1969 erlebte die Verfolgung und Diskriminierung libyscher Juden, die sich bereits in den Jahrzehnten zuvor, insbesondere während des Sechs-Tage-Krieges und danach in Pogromen und willkürlichen Verhaftungen niedergeschlagen hatte, ihren Höhepunkt. Gaddafi ordnete an, dass jeglicher jüdische Besitz zu enteignen sei und alle Schulden, die Nichtjuden bei Juden hätten, hinfällig seien. Obwohl Gaddafi ein Ausreiseverbot verhängte, gelang den allermeisten libyschen Juden in den folgenden Jahren die Flucht ins Ausland. Seit dem 21. Jahrhundert leben schließlich gar keine Juden mehr in Libyen.
Keine Ausnahme in der Region, denn ähnlich wie im Irak oder in Ägypten, Syrien und dem Libanon, hat der arabische Antisemitismus (Pat Condell: „They don´t hate the Jews because of Israel, they hate Israel because of the Jews“) zum fast vollständigen Verschwinden jüdischen Lebens in muslimischen Ländern geführt. Gaddafi war nur einer der aggressivsten Lautsprecher unter den Antisemiten – in Wort und Tat. So war er, was mitunter in Vergessenheit geraten sein mag, „für konkrete militärische Handlungen wie etwa die Teilnahme am Yom-Kippur-Krieg 1973 mit Bodentruppen und Kampfjet-Staffeln der libyschen Armee und finanzielle Unterstützung zur Aufrüstung Ägyptens im Vorfeld des Krieges in Höhe von rund einer Milliarde Dollar sowie finanzielle und logistische Unterstützung palästinensischer Terroranschläge auf israelische und westliche Ziele verantwortlich.“ Nicht überraschend also, dass er 1976 den Terroristen, die den Flug 139 der Air France nach Entebbe entführten, einen Zwischenstopp in Bengasi genehmigte. Die Antisemitische Internationale hält eben zusammen, wie auch folgende Passage unterstreicht:
Gaddafi koordinierte 1983 zusammen mit palästinensischen Organisationen im Zuge des immer militanter werdenden Antizionismus des sandinistischen Regimes die Vertreibung der Juden Nicaraguas.
Gaddafi war es auch, der sich nicht entblödete, Israel auch schon mal die Schuld für die Massaker in Darfur zuzuweisen und Jerusalem bei einem Treffen der Afrikanischen Union vorzuwerfen, allgemein „verantwortlich für alle Konflikte in Afrika“ zu sein, obwohl nichts der Wahrheit ferner sein könnte, und erreichte selbst mit diesem Nonsens Beachtung, weil sich westliche Medien nicht zu fein waren, ihr Israel-Bashing bis in die jüngste Zeit hinein mit seinen irrwitzigen Äußerungen anzureichern. Als die Macht des Despoten, der stets als „Staatschef“ vorgestellt zu werden pflegte, noch nicht infrage gestellt worden war, fand sogar seine bizarre Vision von „Isratine“ Gehör, der totgeborenen Ein-Staaten-Lösung, die die Rückkehr aller palästinensischen Flüchtlinge und ihrer Nachkommen vorsah sowie die Auswanderung der Juden, die damit nicht einverstanden seien, nach Hawaii oder Alaska (!). Für Gaddafi war Arafat, der seine PLO durch die Oslo-Abkommen bis vor die Tore Jerusalems brachte, allein schon durch die nach außen vorgetäuschte Verhandlungsbereitschaft nicht tragbar, Libyen unterstützte lieber die radikalislamische Hamas.
Damit hat es vorläufig ein Ende. Geschenkt, in jener Region ist durchaus nicht sichergestellt, dass auf eine Despotie etwas Besseres folgt; vielmehr besteht die Gefahr, dass es so ähnlich oder sogar noch schlimmer kommt. Aber das ändert nichts daran, dass uns das irgendwie zwangsläufige Schicksal Gaddafis – ein Barbar kommt auf barbarische Weise ums Leben – nicht dauern muss. Jede Zeit hat ihren Haman. Er kommt, und er geht auch wieder. Dagegen kann der Rom-Besucher, der durch den Triumphbogen des Titus schreitet, dort seit Jahrzehnten eine Kritzelei in Ivrit entdecken: „Am Israel chai“. Die wird dort noch zu sehen sein, wenn Sheich Nasrallah, Ismail Haniya und Mahmud Ahmadinedschad längst Geschichte sind.
Alaska? Sollte „Bruder Oberst“ etwa den Slattery Report gekannt haben (http://en.wikipedia.org/wiki/Slattery_Report)? Oder sogar „The Yiddish Policemen’s Union“ gelesen haben?
Uebrigens sollte hier nochmal darauf hingewiesen werden, dass der Soundtrack zu seinem Untergang von einem Israeli stammt – das zeitgenoessiche Pendant zum „Am Israel chai“ also…
Ich dachte, Gaddafi hätte dem Koran die Bedeutung für die heutige Zeit abgesprochen, und sogar gesagt Juden und Christen sollten auch Mekka betreten dürfen?
Stimmt das nicht?
Die Ungläubigen hat er nicht extra erwähnt, aber deswegen drehe ich ihm jetzt keinen Strick draus.
Als ich die Überschrift gelesen habe, dachte ich zunächst, es gehe um die Verfehlung der NATO-Mission. Nicht, daß ich irgendwelche Sympathien für den »mad dog of the Middle East« hegte, aber es ist ja zumindest fraglich, ob die auf ihn folgende Islamistenherrschaft den nicht ganz unblutigen und nicht ganz preiswerten Einsatz der NATO rechtfertigt. Ob für Libyen, die Stabilität der Region und die Sicherheit Israels irgendetwas gewonnen ist, darf ja als höchst fraglich gelten. Daß Tausende Boden-Luft-Raketen aus libschen Arsenalen verschwunden sein sollen, ist auch kein beruhigender Aspekt der Geschichte.
Es scheint fast, als hätten die Amerikaner nichts dem Fehler gelernt, daß sie schon in Afghanistan die Taliban hochgerüstet und ausgebildet haben, um den Einfluß der Russen einzudämmen, am Ende aber die Therapie schlimmer war als die Krankheit.
Der Haman-Gesichtspunkt ist natürlich andererseits auch nicht von der Hand zu weisen. עם ישראל חי
Die seinerzeit – unter anderem – von den USA nach dem Motto „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ im Krieg gegen die sowjetischen Invasoren unterstützten Widerstandsgruppen in Afghanistan, vor allem die Mudschaheddin, waren nur zum Teil mit den Taliban identisch. Die fundamentalistischen Taliban waren ja nur eine unter vielen Gruppen, die sich später untereinander einen Bürgerkrieg lieferten, und leider setzten sie sich am Ende durch.
Manchmal sind irre Pläne gesellschaftsfähig, zwischen der Aufteilung der Schweiz an die Nachbarländer und vom jetzt wieder durchs Kanzlerkandidaten-Dorf gejagten Steinbrück ins Spiel gebrachten Kavallerie liegen ja nun nicht gerade geistige Welten.
Die Nachfolger Gadaffis werden nicht besser sein …
Da könntest Du nicht so unrecht haben.
Zu dieser Thematik ein bemerkenswerter Artikel. Nicht minder interessant die Kommentare dazu: http://bazonline.ch/ausland/naher-osten-und-afrika/Heute-gypten-morgen-die-Welt/story/29156707
..Schon klar: zehntausende Tote und zerbombte Städte in Libyen spielen in diesem Blog keine Rolle. Hauptsache der Oberst ist tot, da er ja angeblich Juden verfolgen ließ (verlässliche Quellen dafür?).
Daß jetzt oder demnächst erst die „echten“ fanatischen arabisch- faschistischen Judenmörder an die Macht kommen, unmöglich??
Diese Rebellentypen massakrieren ja schon jeden, der nicht zum eigenen Stamm gehört oder Schwarzafrikaner ist.
Was werden die wohl über Juden „denken“…
Nichts Angenehmes, davon ist in der Tat auszugehen. Es wurde ja auch klar gesagt, dass es noch schlimmer kommen kann. Aber ist das ein Grund, die Gewaltherrschaft von Typen wie Gaddafi zu akzeptieren? Jeder Despot seines Schlages gehört gestürzt. Jetzt besteht ja immerhin theoretisch die Möglichkeit, dass etwas Besseres nachkommt.
Und: Natürlich gibt es in einem Bürgerkrieg Opfer, Freiheit gibt es nicht zum Nulltarif, jedenfalls nicht, wenn man es mit zu allem entschlossenen Diktatoren zu tun hat (Beispiel: Syrien). Je brutaler der Tyrann, desto schwieriger ist es, sich seiner zu entledigen. Dafür kann ich Ihnen dutzendweise Belege liefern. Unterdrückte Völker sollten selbst entscheiden dürfen, ob und wie viele Opfer sie zu bringen bereit sind. Es sieht so aus, als seien die Libyer sehr froh, den „Oberst“ los zu sein, trotz der Opfer (die ja beileibe nicht alle aufs Konto der Nato gehen, wohl eher im Gegenteil). Gleiches gilt etwa für die zivilen Opfer, die die Invasion der Alliierten in Europa 1944 in Europa, namentlich Frankreich gekostet hat, und die gingen in die Zehntausende. Hätte man deshalb davon absehen müssen, Nazideutschland niederzuringen? Die Franzosen werden Ihnen sagen: Nein.
@andy:gaddafi: war kein heiliger .er hat maßgeblich den terrorismus unterstüzt.und ganz oben stand israels vernichtung.ich trauere ihm als person nicht nach.seine familie tut mir leid .sie werden mit büssen.die söhne sind ja schon tot.
das problem ist das sich nun der hass in vollen umfang entfalten wird.daran wird sich nichts ändern.das ziel ist das selbe.tot den juden ,tot den christen.null demokratie.
Und der arabische Frühling mitsamt dem enormen täglich Hype über viele Monate? Abgeluckert. In Ägypten ist es auch schon wieder Herbst. Boualem Sansal, den das alles sehr nervt, wollte den Friedenspreis des deutschen Buchhandels ablehnen, weil nicht er, sondern dieser arabische Frühing gemeint sei, aber der sei nichts, sagt er.
Der weiß es. Aber die Europäer wollen ja eine rosagrüne Brille tragen.
PS.
AbgeGluckert soll’s heißen, mit G wie Ghaddafi
Wann beginnt denn der arabische Frühling für die Merkel in Berlin?
Zwar ist grad kalt, aber die Klimaerwärmung . . .